„Wir schlagen uns wacker“
Autor Sepp Mall über das Heimatgefühl im Schreiben und die Liebe zur Musik
Sepp Mall, geboren 1955, lebt in Meran und ist als Autor für seine Gedichte, Erzählungen, Romane und Hörspiele bekannt. Er ist Gründungsmitglied der Südtiroler Autorenvereinigung. Sein neuer Gedichtband „Holz und Haut“ erscheint demnächst im Haymon Verlag.
Sie schreiben Lyrik und Prosa. Wovon hängt es ab, welche Gattung Sie wählen?
Unterschiedliche Sujets oder Vorhaben verlangen unterschiedliche Herangehensweisen. Prosatexte, in meinem Fall meist Romane, sind gewöhnlich viel breiter angelegt. Der Plan, einen Roman zu schreiben, hängt mit einem ganzen Komplex an Fragen zusammen, die Figuren, die man wählt, die Einbettung in einen Gesamtzusammenhang wie Ort und Zeit der Handlung, und dann das, was man mit „Fabel“ umschreiben könnte – also wie sich eine Geschichte entwickelt und weitergeht. Gedichte hingegen sind „schmäler“, entstehen meist aus einem Eindruck, aus einem Gefühl, einer Situation, für die man langsam Worte finden muss. Und woran ich mich dann am Morgen zum Weiterschreiben hinsetze, entscheidet meist die Arbeitsdisziplin, manchmal auch Lust und Laune.
Hatten Sie Vorbilder, als Sie zu schreiben angefangen haben?
Kein spezifisches, eigentlich. Ich habe als Kind und Jugendlicher alles aufgesogen, was ich unter die Finger gekriegt habe, war fasziniert von vielem. Angezogen war ich als 17-Jähriger von den Texten Bert Brechts, von Max Frisch, aber auch von den rätselhaften Gedichten Paul Celans, von Salvatore Quasimodo oder Ingeborg Bachmann. Auch N.C. Kaser, dessen Texte ich als erstmals mit 22 gelesen habe, hat mir gefallen.
Woran arbeiten Sie zurzeit?
Ich habe erst meinen Gedichtband „Holz und Haut“, der jetzt im Herbst bei Haymon herauskommt, abgeschlossen und parallel dazu habe ich schon länger an einem Roman gearbeitet. Und wenn ich nicht grad Interviewfragen beantworte, versuche ich, mit diesem Romanvorhaben voranzukommen, jeden Tag ein Stück weiter.
Einige Ihrer Gedichte wurden vertont. Wie nahe steht bei Ihnen die Lyrik der Musik?
Ich verstehe nichts von Musik, aber sie berührt mich zutiefst. Nichts anderes aus der Kunst kann mich emotional mehr mitnehmen als Musik. Und die Vertonungen, etwa von Heinrich Unterhofer, Eduard Demetz, Benno Simma oder Michael Lösch bringen mir meine eigenen Texte noch einmal auf eine ganz andere, spannende Weise entgegen. Und natürlich gibt es eine große Nähe zwischen Schreiben und Musik. Mir sind zum Beispiel der Rhythmus meiner Gedichte immer sehr wichtig, genauso etwa das Spiel mit Konsonanten-Anklängen oder versteckten Reimen. Während des Entstehungsprozesses eines Gedichtes lese ich es mir immer wieder auch laut vor, bis auch das Klangliche passt.
Bedeutet Sprache für Sie auch Heimat?
Sagen wir besser: das Arbeiten mit Sprache. Ähnlich wie das Haus, in dem ich meine Kindheit verbracht habe, Heimat ist, die Menschen, die mir nahe sind, oder die Orte, an denen ich gelebt habe. Wobei Sprache etwas ist, was ausbaufähig ist, nicht starr, eine Heimat, die immer wieder neu umgarnt und erobert werden muss. Und das alles ist ja nicht auf eine einzelne Sprache reduziert, auf das Deutsche ausschließlich oder das Italienische. Es geht darum, sich selbst und seine eigene Welt, seine Sichtweisen, Emotionen und Fragestellungen über Sprache, Sätze, Wörter auszudrücken – bei mir meist auf Deutsch, aber ich mache auch gerne Ausflüge anderswohin. Und das muss man auch dazusagen: Heimat ist nicht immer nur etwas Schönes, sondern auch etwas, an dem man leidet.
Führen Südtiroler SchriftstellerInnen im deutschsprachigen Raum eine Randexistenz?
Geographisch gesehen, ja. Ähnlich wie die Kärntner oder die, die im Wallis kurz vor dem „Röstigraben“ sitzen. Wir sind halt nicht mittendrin und Bozen oder Brixen sind momentan nicht grad das Zentrum der deutschsprachigen Literatur. Man ist ein bisschen weiter weg, das kann leicht dazu führen, dass man weniger gesehen wird. Aber sonst schlagen wir uns alle wacker.
[Teseo La Marca]
BIOGRAFIE
Sepp Mall, geboren 1955 in Graun/Vinschgau, lebt in Meran.
Für seine Arbeiten wurde der Autor mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Meraner Lyrikpreis 1996 und dem Großen Literaturstipendium des Landes Tirol 2017. Der Roman „Wundränder“ wurde 2005 zum „Innsbruck-liest-Buch“ gekürt und in 10.000 Exemplaren an das Innsbrucker Leserpublikum verschenkt.
„Wundränder“ war Sepp Malls erster Roman, er hat breite Beachtung bei Kritik und Publikum gefunden, in Südtirol ist er mittlerweile ein Schulbuchklassiker. 10 Jahre nach dessen Erstveröffentlichung erschien die italienische Übersetzung mit dem Titel „Ai margini della ferita“ bei Keller editore in Rovereto.
Weitere Romane: „Berliner Zimmer“ (2012) sowie „Hoch über allem“ (2017).
Letzte Veröffentlichung des Meraner Autors: „Holz und Haut. Gedichte“, wiederum im Innsbrucker Haymon Verlag (2020).