Tarnrasen in der dritten Ausgabe
Ein Bunker in Bozen Süd im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit
Der Verein „Bunkerforum Kasematte“ widmet sich der Südtiroler Bunkerlandschaft in all ihren Facetten – von Camouflage bis Pixel. In Zusammenarbeit mit Catrin Bolt entstand das Projekt „Tarnrasen“.
Der Bunker #15 in Bozen Süd wäre eigentlich gut sichtbar. Täglich fahren abertausende Autos daran vorbei, aber nur die wenigsten wissen, dass sich unter dem Grashügel ein Bunker aus der Zeit des Faschismus befindet. Dieser gehört zur sogenannten Bozner Sperre, die 67 Bunker umfasst und Teil eines weitreichenden Walls ist, der sich durch Norditalien zieht. Heimo Prünster, Gründungsmitglied des Vereins, bedauert, dass viele Bunker in den letzten Jahrzehnten aus dem kollektiven Gedächtnis verlorengegangen sind, da es wenig öffentliches Interesse an dem problematischen historischen Erbe gibt: „Uns ist es ein Anliegen, diese Objekte als Teil unserer Geschichte sichtbar zu machen und ihr Potential kulturell auszuschöpfen“.
Ein Bunker enttarnt sich mit einem Tarnrasen
2017 startete die Künstlerin Catrin Bolt ihr Projekt „Tarnrasen“, welches 2020 zum dritten Mal stattfindet. Der Titel ist ein Widerspruch, denn durch die Bemalung rückt der Grashügel erst recht in den Vordergrund. Bolt beschreibt ihre Arbeit wie folgt: „Ich verwende verschiedene Camouflage-Methoden, um den Bunker sichtbar zu machen. Gras, das sich tarnt, ist etwas Absurdes, aber genau im Zu- und Aufdecken liegt das Interesse an dem Projekt“. Im ersten Jahr wurde der Hügel mit einer verwirrenden Schwarz-Weiß-Tarnung aus dem ersten Weltkrieg, dem sogenannten „Dazzle“ (engl.: verwirren), versehen. In der darauffolgenden Ausgabe wurde der Bunker hingegen mit dem bekannten Camouflage-Muster in Szene gesetzt. „Tarnen bedeutet, Elemente aus der Umgebung aufzunehmen und zu adaptieren. Und das macht Kunst: sie setzt Gewohntes in einen unüblichen Kontext, deshalb eröffnet das Projekt andere Perspektiven“, sagt Bolt.
2020 goes pixel
Da die Rasenfarbe schlussendlich vom nachwachsenden Gras verdrängt wird, überdauert die Bemalung jeweils nur einige Monate. Die Künstlerin hat deshalb die Möglichkeit, das Projekt über verschiedene Etappen zu entwickeln. Dieses Jahr fiel ihre Wahl auf Pixel: „Von einem bestimmten Punkt aus wirkt das Bild zweidimensional. Aber wenn man sich bewegt oder mit dem Auto vorbeifährt, verändert sich der Hügel. Über das Muster wird die dreidimensionale Form des Hügels zum Verschwinden gebracht – ähnlich den Bunkern, die zwar überall stehen, aber wie ausgeblendet sind. Das Auspixeln weckt die Aufmerksamkeit der BetrachterInnen und macht sichtbar, dass hier noch was Anderes darunterliegt“. Pixel werden verwendet, um bestimmte Ausschnitte unkenntlich zu machen. In Bozen Süd bewirken sie das Gegenteil.
Sichtbarmachen der Bunker
Die Förderung, Auseinandersetzung und Aufbereitung des italienischen Alpenwalls sowie die vielfältige Nutzung der Bunkerareale stehen ganz oben auf der To-Do-Liste von „Bunkerforum Kasematte“, gegründet von Matthias Schönweger, Heimo Prünster und Erwin Seppi. Bunker wecken in Südtirol oft negative Assoziationen, da sie u.a. ein Produkt des faschistischen Italien sind und ihre Entstehungszeit mit der Option übereinfällt. Doch die Bauten selbst kamen nie zum Einsatz, wie Heimo Prünster weiß: „Je näher man hinschaut und differenziert wird erkenntlich, dass die Bunker zwar einer düsteren Epoche entstammen, es aber keine traumatischen Geschehnisse in direktem Zusammenhang mit dem ursprünglichen Zweck der Bunker gegeben hat. Das Ausbleiben von Zwangsarbeit, Kampfhandlungen, Tod und Zerstörung ermöglicht einen wesentlich freieren Zugang und größeren Spielraum in der künstlerischen Interpretation.”
[Adina Guarnieri]