Willkommen im Theaterjahr 2020
Auch Südtirols Bühnen rutschen vielversprechend ins neue Jahr
Noch auf der Suche nach einem guten Vorsatz für 2020? Öfter ins Theater gehen! Denn gleich zu Beginn wird dem Publikum schon allerhand geboten.
Den Anfang macht das Carambolage Bozen, wo Duncan Macmillans „All das Schöne“ in den Startlöchern steht (ab 3.01., Regie: Eva Niedermeiser). In der ersten Eigenproduktion des Jahres greift man im Kleinkunsttheater der Landeshauptstadt zu einem lebensbejahenden Stück über ein ernstes Thema: Depression. Wie reagiert ein Kind auf den Selbstmordversuch der Mutter? Mit den Mitteln, die es zur Verfügung hat und mit einer Sicht auf die Welt, die einem im Erwachsenenalter oft fehlt. Was dabei zustande kommt ist eine Liste mit alldem, was an der Welt schön ist. Doch kann eine Depression damit wirklich verfliegen? Ein preisgekröntes Stück und eine perfekte Gratwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Humor.
Glück könnte so einfach sein, wenn da nicht das Leben wäre. Das denkt man sich auch im Stadttheater Bruneck, wo ab 23. Januar „Glück“ des Autors Eric Assous gezeigt wird, Regie führt Edi Jäger. Nach einer gemeinsam verbrachten Nacht, ganz aufregend und unverfänglich, sehen Louise und Alexandre die Welt durch die rosa Brille. An sich wäre dies nicht weiter schlimm, jedoch sind diese Glücksgefühle nichts weiter als vorgegaukelter Optimismus, denn die Probleme mit den Ex-Partnern, die familiären Verpflichtungen und geplatzten Träume brodeln unter der jubelnden Oberfläche. Assous Stücke überzeugen mit Feingefühl und Witz, vor allem, weil sich hinter den kunstvoll verstrickten Handlungen immer das wahre Leben verbirgt. Aus dem Alltag gegriffen sind auch die „Weiberg‘schichten & Weiberlieder“ des österreichischen Erfolgsduos Uli Brée, bekannt durch seine Serien „Vorstadtweiber“ und „4 Frauen und 1 Todesfall“, und Markus Linder, seines Zeichens Bluesman (15.01.). Frei nach dem Motto „Bree liest, Linder singt, manchmal auch umgekehrt“ präsentieren die beiden einen kabarettistischen Liederabend mit Lesung und Konzert, der das Publikum auf eine Reise ins Panoptikum der Liebe mitnimmt.
Lassen wir die Liebe beiseite und widmen wir uns einem brisanten Kriminalfall. Der Kabarettist Dietmar Gamper erzählt in der Dekadenz Brixen die Geschichte von Jack Margesin, Privatdetektiv, der sich auf einen Streifzug durch die dreitausendjährige Geschichte Südtirols begibt (10.-11.01.). „Die etruskische Statuette – Ein anachronistischer Kriminalfall“ ist ein actionreicher Theatermonolog, zynisch, makaber und voll historischer Ungerechtigkeiten, die mit viel schwarzem Humor in Szene gesetzt werden. Und sollten Ihre Lachmuskeln nach diesem Abend nicht schon genug strapaziert sein, dann würde sich ein Besuch des Galaprogramms von Ludwig W. Müller anbieten (17.-18.01.). Zu seinem 20-jährigen Bühnenjubiläum bringt der Österreicher „Witz ins Dunkel“ und zieht Bilanz, zwei Jahrzehnte gehen schließlich nicht spurlos vorüber. Die Süddeutsche Zeitung kommentiert: „Willst du einen Knüller sehen, dann musst du zum Müller gehen“!
Wir bleiben in Österreich, denn die Vereinigten Bühnen Bozen widmen sich im Jänner Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ (ab 23.01., Regie: Robert Schuster). Das Schauspiel kommt ohne Worte aus, allein die Poesie der Bewegungen, der Körper, des Lichts und der Farben verwandelt den Erzählraum in die Bühne des Alltäglichen. Das 1992 uraufgeführte Werk spielt in irgendeiner Stadt, wo Passanten, allein oder in Gruppen, fremd und vertraut, ein dramatisches Kaleidoskop der menschlichen Vielfalt eröffnen und sich in eine Bestandsaufnahme unserer Gesellschaft verwandeln. Ein verwandtes Anliegen verfolgt das Projekt „#Together - Transdisziplinäre Projekte zu 100 Jahre Südtirol – Alto Adige“, welches am 18. Jänner mit der Performance „Sprechgesang – Parlando“ der britischen Künstlerin Emma Smith im Südtiroler Landhaus startet und bis Mai dauern soll. Ausgangspunkt ist das Jahr 1919, welches über wechselhafte Jahrzehnte unser „junges Land“ in eine Heimat vieler Stimmen verwandelt hat. Durch die Beiträge international agierender Beobachter wird der Blick zum ersten Mal aus einer heutigen Perspektive kulturvermittelnd nach vorn gerichtet. Welche Sensibilitäten schwingen unausgesprochen mit? Welche Grenzen scheinen unüberwindbar gesetzt? Wohin gehen wir? Wo wollen wir hin? Diese Fragen sind der Denkanstoß für dieses multidisziplinäre Projekt.
Eine äußerst weite Sicht in Bezug auf ihr Umfeld hatte auch Virginia Woolf, die mit ihrem 1928 erschienenen Roman „Orlando“ die Grenzen der Zeit, der gesellschaftlichen Schichten und Geschlechter durchbrochen hat. Witzig, boshaft und provokant, gilt das Buch als Meisterwerk der literarischen Moderne. Regisseurin Lily Sykes bringt „Orlando“ nun nach Südtirol, wo das Stück im Bozner Waltherhaus (15.01.) und im Stadttheater Meran (16.01.) haltmacht. Die Geschichte beginnt im 16. Jahrhundert mit einem gutaussehenden Adeligen, der sich durch königliche Betten schläft, bis nach Konstantinopel, wo er nach einem rauschenden Fest als Frau erwacht. Und so durchstreift Orlando die Jahrhunderte, wird Poetin, Prinzessin, Liebende und am Ende freischaffende Künstlerin und alleinstehende Mutter im 20. Jahrhundert.
Die Geschichte von einem anderen Blickwinkel aus betrachten, das tut im erweiterten Sinne auch „Schneewittchen und die zwei Zwerge“, welches noch bis 5. Jänner im Theater in der Altstadt Meran zu sehen ist. Thomas Hochkoflers Märchenkomödie muss aber bald die Bühne räumen, denn nach dem großen Erfolg von Kafkas Klassiker „Der Prozess“ im vergangenen Winter, hatte das Publikum lautstark nach einer Wiederaufnahme des Stücks verlangt. Ab 19. Januar ist es wieder soweit, Torsten Schilling zeigt die verstörend faszinierende Geschichte des Herrn K, dessen Schicksal auch nach hundert Jahren die Menschen in seinen Bann zu ziehen vermag.
[Adina Guarnieri]