„Ich will nicht nichts geschaffen haben“
Warum die junge Autorin Lorena Pircher ihre Empfindungen in Lyrik verpackt
Lorena Pircher, Jahrgang 1994, stammt aus Taufers im Münstertal und lebt seit 2013 in Wien. Nach dem Studium der Anglistik und Romanistik sowie der Vergleichenden Literaturwissenschaften macht sie derzeit Führungen an der Wiener Staatsoper zum Thema Geschichte des Hauses, Architektur und Kunstgeschichte und ist organisatorisch für den österreichischen PEN-Club tätig. Ein zweiter Gedichtband ist in Ausarbeitung.
Frau Pircher, was hält Sie in Wien?
Einerseits sicherlich das schier unerschöpfliche kulturelle Angebot. Ich liebe es zum Beispiel, Lesungen zu besuchen oder in ein Museum zu gehen, dort hole ich mir viele Inspirationen. Die Anonymität einer Großstadt finde ich ebenso faszinierend. Man kann so viel beobachten und Eindrücke sammeln in dieser Stadt, manchmal erscheint mir selbst Wien zu klein dafür.
Was spricht für Südtirol?
An meiner Heimat liebe ich die schöne Landschaft, die Herzlichkeit und Offenheit der Leute, die Gemeinschaft. Südtirol wirkt beruhigend und entspannend auf mich. Etwa alle drei Monate komme ich nach Hause und nehme mir so eine Auszeit von der Hektik, die ja doch in einer Großstadt herrscht.
Wann haben Sie mit dem Schreiben angefangen?
Geschrieben habe ich schon in der Grundschule, aus welchem Grund, weiß ich nicht mehr. Die Worte mussten einfach aus mir heraus. In der Mittelschule war dieses Bedürfnis vorübergehend in den Hintergrund getreten, erst in der Oberschule und während des Studiums habe ich wieder mehr geschrieben, um die Dinge, die mich beschäftigt haben, ausdrücken zu können.
Warum gerade Gedichte?
Gedichte kommen mir beim Schreiben am natürlichsten. Ich denke, die Lyrik hat sich mir ausgesucht und nicht umgekehrt. Ich betrachte mich als sensiblen Menschen, und die Gedichte haben mir sicherlich geholfen, meine Empfindungen und Gefühle nach außen zu transportieren und zu verarbeiten. Die Lyrik ist für mich eine wunderbare Möglichkeit, Zweifel an der Welt und gewisse Zerrissenheiten auszudrücken. Außerdem kann ich so auch Ungerechtigkeiten darstellen, die mich beschäftigen.
Woran arbeiten Sie derzeit?
Nach dem Gedichtband „Irrende Welten“, den ich 2018 veröffentlicht habe, sind einige Essays und Gedichte von mir in verschiedenen Sammelbändern erschienen. Derzeit ist ein zweiter, eigener Gedichtband in Arbeit. Ich stelle mir vor, dass er Ende 2021 fertig sein wird. Meine inneren Bilder haben sich gewandelt. Ich schreibe weniger über Natur und mehr über menschliche Züge. Seit 2018 habe ich auch immer wieder mit den beiden wunderbaren Künstlerinnen Elisabeth Öggl und Carmen Alber zusammengearbeitet. Elisabeth hat mehrere faszinierende Projekte realisiert, die Drucktechniken wie Monotypie oder Siebdruck mit meinen Texten vereinen, wie beispielsweise das Künstlerbuch „No title“ mit siebgedruckten Gedichten auf gegossenen Silikonseiten, das 2019 fertiggestellt wurde. Mit Carmen, einer sehr talentierten Fotografin, habe ich das Künstlerbuch „It may be in pieces“ ausgestellt. Auch an vielen der kommenden, geplanten Projekte werde ich mit Elisabeth und Carmen gemeinsam arbeiten. Schließlich ist es auch noch ein Traum von mir, einmal einen Roman zu veröffentlichen. Ideen dazu hätte ich mehrere, aber es ist noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Was liest Lorena Pircher selbst am liebsten?
Grundsätzlich lese ich viel und gerne, vor allem Texte, die von menschlichem Sein handeln. Wo auch immer ich bin, habe ich Lesestoff dabei. Ich liebe die Gedichte von Rainer Maria Rilke und die Werke von Hermann Hesse, außerdem lese ich sehr gerne verschiedene Werke von zeitgenössischen afrikanischen und lateinamerikanischen Autorinnen und Autoren.
[Sibylle Finatzer]
Wenn
Wenn alles vergeht
Was bleibt dann noch
Vom schwirrenden Leben
Hastender Sterngeburten
Wenn alles vergeht
Wer meißelt dann mein Tun
In moosenen Stein
Ich will nicht nichts geschaffen haben
Lorena Pircher
Publikationsliste
Gedicht in der Zeitschrift Kulturelemente Nr. 141: Vom narrativen und politischen Anspruch in der Literatur, September 2018.
Gedichtband „Irrende Welten“. Brixen: Provinz Verlag, September 2018. ISBN: 978 88 99444 17 4.
Gedichte als Siebdrucke auf Silikon und als Siebdrucke auf Kunststofffolien in Form von zwei Künstlerbüchern im Rahmen der Diplomausstellung von Elisabeth Öggl, Juni 2019, die Angewandte.
Künstlerbuch „It may be in pieces“ in Zusammenarbeit mit Carmen Alber (15 Exemplare, Teilnahme an der book art fair in Wien und der edizionale I), Oktober 2019.
„Impressionen“ in der Literaturzeitschrift etcetera – LitGis. Ausgabe 80: Charme und Scham. März 2020.
Beitrag „Alles zerfällt“ in der PEN-Anthologie: Notfall: Covid-19. Texte zu und in der Pandemie. Hrsg. Reinhart Hosch; Helmuth A. Niederle. Wien: Löcker Verlag, 2020, ISBN 978-3-99098-048-4.
Gedicht „Das Floß“ in: „words and worlds“. Winterausgabe 2020.