Dürrenmatt und Kolumbus auf Reisen
Das deutsche Theater im März überwindet Grenzen...
…menschliche, historische und seelische – und auch die geographischen Grenzen darf man nicht vergessen. Im Frühlingsmonat haben sich die heimischen Bühnen der Weitsicht verschrieben.
Eine der wohl berühmtesten Reisen der modernen Neuzeit präsentieren die Vereinigten Bühnen Bozen in Zusammenarbeit mit dem Landestheater Niederösterreich. Ab 25. März wird hier das Abenteuer von „Christoph Kolumbus“ erzählt, nach der Version des kroatischen Schriftstellers Miroslav Krleža. Das 1917 entstandene Stück beschreibt Kolumbus als einen Visionär, der seinen Matrosen unendliche Freiheit und eine schillernde Zukunft in der Neuen Welt verspricht. Doch die Mannschaft will was zwischen die Zähne und keine idealistischen Versprechungen. Mit seinem mehrsprachigen Ensemble bringt Regisseur Rene Medvešek die Geschichte eines waghalsigen Unternehmens auf die Bühne.
Eine Irrfahrt nach Homer ist hingegen im Bozner Waltherhaus zu sehen: „Die Odyssee“ von Regisseur Antú Romero Nunes (11.-12.03.). Als Odysseus in den Trojanischen Krieg zog, ließ er seine Frau mit einem Säugling – Telemachos – zurück. Zwanzig Jahre später ist der Junge erwachsen und kennt seinen Vater nur aus glorreichen Erzählungen. Eines Tages taucht aber Telegonos bei ihm auf, ebenfalls ein Sohn des Odysseus, den der vermeintliche Kriegsheld bei seiner ehemaligen Geliebten Kirke zurückgelassen hat. Die beiden haben recht unterschiedliche Vorstellungen vom verschollenen Vater. Held oder Schuft? Welche Version ist näher an der Wahrheit dran? Urteilen Sie selbst!
An der Grenze zwischen Gewissheit und Trugbild setzt auch „Illusionen“ von Iwan Wyrypajew an (Theater in der Altstadt Meran, bis 6.03.). Hier hat nichts Bestand, alles ist Illusion, und doch ist alles erfüllt von Liebe. Vier Schauspieler erzählen von zwei befreundeten Paaren, die seit über fünfzig Jahren verheiratet sind. Auf lustvolle Weise pendeln ihre Schilderungen zwischen Tragik und Komik, zwischen Schmerz und der ewigen Sehnsucht nach dem höchsten Glück. Und immer wieder erklingt Musik – Songs, die im Herzen des Publikums ihr Echo finden und von Hoffnung erzählen.
Die Hoffnung auf eine verständnisvolle Umarmung möchte Tom eigentlich nicht aufgeben, allerdings schaut es diesbezüglich nicht gut aus. Die Dekadenz Brixen zeigt mit „Tom auf dem Lande“ von Michel Marc Bouchard ein Stück über vorgetäuschte Tatsachen und bittere Wahrheiten (ab 1.03., Regie: Joachim Goller). Als Tom aus der Großstadt zum Begräbnis seines Liebhabers Guillaume in die Provinz fährt, gerät er bei dessen Familie in einen Strudel aus Lügen und Verdrängung. Tom gibt sich als Arbeitskollege aus, weil Guillaumes Mutter nichts von der Homosexualität ihres Sohnes erfahren darf. Der ältere Bruder tut indes alles, damit die Wahrheit nicht ans Licht kommt, und schreckt dabei vor Gewalt nicht zurück. Aufrüttelnd und spannender als jeder Fernsehkrimi.
Dem TV-Gerät können sie im März mit gutem Gewissen eine Auszeit gönnen, schließlich rufen ab 13.03. die Meraner Kabarett Tage. Nach der erfolgreichen ersten Ausgabe im Jahr 2019, wirft man in der Passerstadt auch heuer wieder einen neugierigen Blick in die Nachbarländer und holt die crème de la crème der Kabarettgrößen aus Deutschland, Schweiz und Österreich nach Südtirol. Aus Deutschland kommen Anka Zink und Mathias Tretter, lebendiger und böser denn je. Gast aus der Schweiz ist Christoph Simon, mehrfacher Poetry-Slam-Meister und Gewinner des „Salzburger Stiers 2018“. Österreich ist mit Robert Blöchl und Roland Penzinger – zusammen sind sie BlöZinger – vertreten. Der Kunstverein Kallmünz wünscht gute Unterhaltung! Weitere Infos unter: www.art.kallmuenz.it.
Gut unterhalten werden Sie, wie gehabt, auch im Carambolage Bozen. Oder ist hier etwa „Heute wegen gestern geschlossen“? Keine Sorge, dabei handelt es sich nicht um die Folgen einer wild durchzechten Nacht, sondern um den Titel des aktuellen Programms von Jess Jochimsen (6.-7.03.). Darin bringt er so einiges auf den Punkt, im Kleinen wie im Großen. Weil gestern einfach alles zu viel war machen wir heute zu: den Laden, die Grenzen, England, Amerika. Wie raubt man der Dummheit den Nerv? Zurückgelehnt und entspannt dreht Jess Jochimsen den notorischen Rechthabern den Ton ab und beweist damit, dass Satire nicht nur alles kann, sondern auch darf. „Heimat oder nicht Heimat – das ist hier die Frage“, so oder so ähnlich lautet die Devise beim Trio „Die Fidelen Alpenpfeilchen“ (12.-13.03.). Sie stellen in „Fein sein, gemein sein“ das traditionelle Heimatbild – walsch, tirolerisch, patriotisch? – auf den Kopf. Ob das wohl gutgeht? Vergnüglich wird es allemal! Und kommen wir nun zum Meister des Vergnügens: Alf Pojer. Mit seinem „Humor im Hemd“ (20.-21.03.) lockt Österreichs Dada-Humorist und unverbesserlicher Provokateur auch die Schüchternsten hinter dem Berg hervor. Kann die Kunst uns retten oder sollte man besser die Flucht ergreifen? Und wohin soll man flüchten? In die geistige Euthanasie, in das Absurde, zurück in die Tradition oder doch lieber in die Karibik? Der psychologische Dienst wurde sicherheitshalber schon informiert…
Traumjob als Sicherheitsberater in Jordanien? Der erfolgreiche Kriminalkommissar Matthai kann es eigentlich kaum erwarten, doch da macht ihm eine Mordserie einen Strich durch die Rechnung. Zwar ist ein Verdächtiger schnell gefasst, jedoch begeht dieser aus Verzweiflung Selbstmord. Für die Behörden ist der Fall abgeschlossen. Matthai glaubt aber nicht an das (erzwungene?) Geständnis und macht sich als Privatperson auf die Jagd nach dem Täter. Friedrich Dürrenmatt schrieb die Geschichte als Exposé für den Film „Es geschah am hellichten Tag“, war jedoch mit dem aufoktroyierten Happy End unzufrieden. Deswegen entstand ein ungewöhnlicher Kriminalroman, der nun als “Das Versprechen“ vom Stadttheater Bruneck – in Zusammenarbeit mit dem Theater zum Fürchten Wien – für die Bühne adaptiert wurde (ab 15.03., Regie: Claus Tröger).
[Adina Guarnieri]