„Da wo man singt, da lassʼ dich nieder“
Das alte und viel bemühte Sprichwort hat auch in Südtirol seine Gültigkeit
„Singen im Chor verbindet“ steht als Leitmotto auf der Webseite des Südtiroler Chorverbandes. Der gemeinnützige Verein hat im Jahr 2019 sein 70-jähriges Bestehen gefeiert und fördert alle Formen des Singens in der Gemeinschaft auf breiter Ebene.
Der Südtiroler Chorverband ist die Interessensvertretung, der Dachverband der Südtiroler Sängerinnen und Sänger. Der Verband hat sich die musikalische Bildung in den Kinder-, Jugend- und Schulchören auf die Fahnen geschrieben und bietet ein umfassendes Fortbildungs- und Schulungsprogramm für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Chorleiter und Führungskräfte an. Seit zehn Jahren steht Verbandsobmann Erich Deltedesco an der Spitze des Chorverbandes. Im Gespräch erzählt er über Ziele und Herausforderungen des Chorwesens in Südtirol.
Singt die Jugend in Südtirol heute noch?
Ja, die Jugend singt, und wie. Zwar ist das Freizeitangebot heutzutage riesig, und dementsprechend gibt es große Konkurrenz zu den musikalischen Angeboten. Engagierte Pädagoginnen und Pädagogen in den Musikschulen sowie viele hochmotivierte Leiterinnen und Leiter von Kinder- und Jugendchören unseres Landes sorgen aber dafür, dass es vokaltechnisch gesehen eine tolle und breite Kurspalette gibt. Ich staune immer wieder, wie viele neue Ensembles in Südtirol entstehen. Derzeit sind 54 Kinder- und Jugendchöre bei uns Mitglied.
Wie sind Sie zum Singen gekommen?
Bei uns wurde schon zu Hause viel gesungen, vor allem mit meiner Mutter. Die Mittelschule besuchte ich in Neustift, und obwohl ich kein Heimschüler war, durfte ich bis zum Stimmbruch im dortigen Knabenchor mitsingen. Sodann ging ich zum Männerchor Neustift, wo ich bis heute Mitglied bin. Auch im Kirchenchor Neustift singe ich mit. Seit 1995 bin ich im Chorverband aktiv, seit 2010 als Obmann.
Was ist das Spannende an Ihrem Amt?
Spannend finde ich den Austausch mit den vielen Sängerinnen und Sängern in unserem Land. Ich darf ja viele Veranstaltungen besuchen und auch Ehrungen vornehmen. Da ich selbständig berufstätig bin, kann ich mir meine Zeit gut selber einteilen. Obmann zu sein, ist eine große Aufgabe mit einem beträchtlichen Zeitaufwand und auch einer gewissen Verantwortung. Aber wenn ich in der Gemeinschaft mit singenden Menschen bin und dort die Freude und den Einsatz dieser Menschen erlebe, so bekomme ich jede Mühe tausendfach zurückgeschenkt.
Wie wichtig sind dem Chorverband Schulung und Ausbildung?
Sehr wichtig. Wir versuchen stets, ein gutes und ausgewogenes Schulungs- und Ausbildungsprogramm anzubieten mit international anerkannten Fachleuten. Das wird von den Chören auch sehr geschätzt. Das hohe Niveau unserer Chöre ist sicherlich auch darauf zurückzuführen. Viele Sängerinnen und Sänger nehmen oft sogar Urlaub, um an den Kursen teilnehmen zu können. Und das, was sie dabei lernen, fällt schlussendlich auch auf den eigenen Chor zurück. Nicht umsonst haben Südtiroler Chöre beim Wertungssingen im letzten Jahr ausgezeichnet abgeschnitten. Darauf bin ich stolz. Bei Kindern und Jugendlichen ist es uns wichtig zu zeigen, wie schön singen ist.
Nun ist ja durch die restriktiven Bestimmungen aufgrund der Coronakrise kein „normaler“ Kulturbetrieb möglich. Welche Wege wird der Chorverband hier beschreiten?
Durch die Coronakrise ist jeder Kulturbetrieb ausgesetzt, leider. Es finden keine Proben, keine Konzerte und auch keine Fortbildungen statt. In den Kirchen sind nur Kantoren erlaubt. Online-Fortbildungen wurden angedacht, sind aber nicht möglich. Ein Referent tut sich per Bildschirm beispielsweise schwer zu beurteilen, ob ein Sänger richtig atmet. Auch kommen viele Fachleute aus dem Ausland und können momentan nicht nach Südtirol einreisen. Wir haben schweren Herzens alle Veranstaltungen bis Ende August absagen müssen. Wir pflegen aber weiterhin einen engen Austausch mit dem Chorverband Österreich und der AGACH, der Arbeitsgemeinschaft Alpenländischer Chorverbände. Dort sind 16 Chorverbände aus dem gesamten Alpenraum zusammengeschlossen, sprachenübergreifend. Es werden Ideen ausgetauscht, schließlich erfindet ja nicht jeder das Rad neu. So profitieren wir voneinander. Und die Generalversammlung des Chorverbandes Österreich wird 2022 in Südtirol stattfinden.
[Sibylle Finatzer]
SÜDTIROLER CHORVERBAND
• Gegründet 1949
• 410 Mitgliedschöre, davon 204 Kirchenchöre und 253 weltliche Chöre
• 257 gemischte Chöre, 43 Frauenchöre, 56 Männerchöre, 54 Kinderchöre
• Über 10.000 Sängerinnen und Sänger in fünf Bezirken
• Verbandsobmann Erich Deltedesco, Verbandschorleiterin Renate Unterthiner
• www.scv.bz.it