Ein modernes Theater mit Tradition
Warum die Theatergruppe Kortsch bei Publikum und Theaterleuten beliebt ist
Kortsch ist die zweitgrößte Ortschaft der Gemeinde Schlanders, umgeben von Kastanienhainen, Apfel- und Marillenbäumen. Und sie hat eine fast hundertjährige Theatertradition in modernem Gewand.
Die Kortscher sind spielfreudig. Das sagt nicht nur Konrad Lechthaler, Spielleiter der Theatergruppe Kortsch bei Schlanders. Er selbst besuchte zum ersten Mal als Siebenjähriger ein Theaterstück. „Das hat mich so berührt, dass ich drei Nächte nicht schlafen konnte. Als ich mich wieder beruhigt hatte, wusste ich: Das will ich machen“, erzählt Lechthaler. Diese Begeisterung steckt an. Aktuell zählen dreiundfünfzig Personen zum Ensemble. Die Größe des Ensembles und das fast hundertjährige Bestehen der Theatergruppe Kortsch sprechen für sich: Theater hat hier Tradition. Aus dem kulturellen Leben der Gemeinde Schlanders ist die Theatergruppe jedenfalls nicht mehr wegzudenken.
Tradition muss aber nicht gleich altbacken sein. „Wir sind anders als die anderen Theatergruppen aus der Umgebung“, sagt Lechthaler, seit vierundvierzig Jahren Spielleiter der Theatergruppe. Mit „Bernarda Albas Haus“, einer spanischen Frauentragödie von Federico García Lorca brach die Gruppe 1988 mit den bisherig gespielten seichten Bauernpossen und schwermütigen Heimkehrer-Stücken. Ab sofort widmete sich die Theatergruppe Kortsch modernen und aktuellen Themen. So hat sie es geschafft, relevant zu bleiben.
Venedig im Schnee
Aktuell spielt die Theatergruppe ab März im Kulturhaus Karl Schönherr in Schlanders eine Komödie: „Venedig im Schnee“ von Gilles Dyrek. Wer kopflose Unterhaltung sucht ist hier falsch. In der Liebeskomödie „Venedig im Schnee“ wird der Gesellschaft ein gehöriger Spiegel vorgesetzt.
Zur Handlung: Die Hauptfigur Patricia geht wiederwillig mit ihrem Freund Christophe zu einem Abendessen, wo sie niemanden kennt. Das Paar hat sich kurz davor heftig gestritten, deshalb beschließt sie wütend, den ganzen Abend kein Wort zu reden. Die Gastgeber, Nathalie und Jean-Luc, halten sie für komisch und vermuten: Die Frau muss Ausländerin sein.
Patricia steigt belustigt auf das Spiel ein. Sie spricht in einer Phantasiesprache und erfindet ein kriegsgebeuteltes Heimatland namens „Chouvenien“ und schmückt immer mehr aus. Die getäuschten Gastgeber lassen sich vom Mitleid mitreißen und beginnen, sie mit allerlei Spenden aus dem Hausrat zu überhäufen. Patricia macht sich einen Spaß daraus, immer mehr für ihre erfundenen Landsleute zu nehmen, bis das Spiel fast zur Tragödie ausartet.
„Venedig im Schnee“ spielt mit Klischees, wie dem so genannten Gutmenschen-Syndrom und dem vermeintlich Fremden. Es herrscht Harmoniesehnsucht auf allen Seiten und der oberflächliche Versuch, über alle Probleme und unterschiedlichen Lebensweisen hinwegzusehen. Das geht so lange gut, bis alles schief geht.
Zukunft gesichert
Bei der fast hundert Jahre alten Theatergruppe Mitglied sein hat in Kortsch (Schlanders) mittlerweile Tradition. „Bei der fünfundsiebzigjahr-Feier haben wir eine Chronik angeführt, wer alles einmal auf der Bühne gestanden ist. Es war mehr als das halbe Dorf“, erzählt Lechthaler.
Entstanden ist die Theatergruppe aus finanziellen Gründen: Die Musikkapelle Kortsch baute 1923 ein eigenes Probenhaus mit einer dazu gehörigen Bühne. Das Theaterspielen diente damals primär der Finanzierung des Hauses. Davon hat sich das Theater mittlerweile emanzipiert und spielt vor allem Stücke, die die Zuseher zum Nachdenken anregen sollen.
Zum Proben treffen sich die Kortscher Theaterleute so oft wie möglich, also wenn das Kulturhaus Schlanders gerade zur Verfügung steht. Momentan wird bis zu fünfmal die Woche geprobt.
[Nadine Mittempergher]