Die Abgründe des Internets
Sensibilisierungskampagne gegen digitalen Hass
Das Internet verhieß grenzenlose Kommunikation – doch damit einherging auch digitale Gewalt, etwa in Form von Beschimpfung oder Rufschädigung.
Eine Sensibilisierungskampagne des Landes wirbt nun für einen respektvollen Umgang miteinander und gegen Hass im Netz, unterstützt von zahlreichen Organisationen wie Centaurus, der Südtiroler Hochschüler*innenschaft und dem Forum Prävention.
Weshalb beteiligt sich das Forum Prävention an der Initiative?
Alex Giovanelli: Wir entwickeln schon seit einiger Zeit Fortbildungen, Projekte und Kampagnen im Bereich Medien und Gewalt. Die Landespresseagentur hat uns deshalb gebeten, die Entwicklung der Kampagne mit dem Wissen und den Erfahrungswerten der vergangenen Jahre zu begleiten.
Wie lässt sich „Hass im Netz“ definieren?
Alex Giovanelli: Es ist ein sehr komplexes Phänomen. Wir unterscheiden in unserer Arbeit verschiedene Formen, wie beispielsweise Hate Speech, sprich gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die sich über Sprache oder Bilder äußert, Beleidigung, Bedrohung, Belästigung oder Cybermobbing.
Was bewegt Menschen dazu, Hass im Netz zu verbreiten?
Alex Giovanelli: Es gibt vielfältige Gründe, weshalb im Internet ein teilweise rauer Umgangston herrscht – etwa die Anonymität oder die Distanz, die es zwischen Akteuren und Betroffenen gibt. Manche suchen Aufmerksamkeit und Bestätigung, andere fühlen sich besser, indem sie Menschen abwerten und ausgrenzen. Hass im Netz kann aber auch von Menschen ausgehen, die selbst Aggression und Ohnmacht oder Mobbing erfahren haben. Darüber hinaus sind die Algorithmen im Internet darauf programmiert, jene Beiträge besonders sichtbar zu positionieren, die eine hohe Dichte an Kommentaren und Likes hervorrufen bzw. oft geteilt werden. Die Plattformen belohnen im Grunde all jene, die sich einer besonders aggressiven und erschütternden Sprache bedienen.
Wie können Betroffene rechtlich dagegen vorgehen?
Alex Giovanelli: In Fällen von Beleidigung, Bedrohung, diskriminierenden Äußerungen und ähnlichem können zivil- und strafrechtliche Anzeigen gestellt werden. Im Zweifelsfall raten wir allen Betroffenen sich an die Postpolizei zu wenden. Wer über die rechtliche Beratung hinaus auch psychologische Unterstützung benötigt, dem empfehlen wir, sich an die Südtiroler Beratungseinrichtungen zu wenden. Informationen hierzu findet man etwa auf der Homepage des Forum Prävention oder auf dubistnichtallein.it.
Auch Julian Nikolaus Rensi, Vorsitzender der Südtiroler Hochschüler*innenschaft, will sich öffentlich gegen Hass im Netz positionieren.
Was hat die Südtiroler Hochschüler*innenschaft dazu bewogen, die Kampagne des Landes zu unterstützen?
Julian Nikolaus Rensi: Der Einsatz gegen Hass im Netz ist letztendlich auch ein Einsatz für den Schutz eines humanen, zivilen und respektvollen Umgangs miteinander – auch im realen Leben. Und ohne eine solche auf Achtung basierende Kultur hat auch der demokratische Diskurs keine Zukunft. Wir als Organisation junger Menschen haben aber vielleicht auch mehr als andere ein klares Interesse daran, dass wir auch in einigen Jahrzehnten noch in einer demokratischen Gesellschaft leben und deren Grundlage wird eben durch die Verrohung der medialen Debatte infrage gestellt – und daher unsere Unterstützung dieser Kampagne gegen Hass im Netz.
Werden junge Menschen, die mit sozialen Netzwerken aufwachsen, verstärkt mit digitalem Hass konfrontiert?
Julian Nikolaus Rensi: Da für junge Menschen das Netz und soziale Medien einfach Teil der normalen Lebensrealität sind, sind sie den dortigen Gefahren und Problemen natürlich stark ausgesetzt. Statistiken belegen auch, dass sehr viele Gleichaltrige, vielfach aber auch schon Schüler*innen im Mittel- und Oberschulalter von Hate Speech betroffen sind, in unterschiedlicher Intensität. Das wirkt sich dann auch auf die allgemeine psychische Verfassung einer ganzen Generation aus. Es ist für uns junge Menschen also eine besondere Herausforderung.
Im November des vergangenen Jahres veröffentlichte der Verein Centaurus, der sich für die Rechte queerer Menschen einsetzt, einige Hasskommentare, die ihn erreicht hatten. Jene, die eine nicht heteronormative Lebensweise führen, wurden als „ekelhaft“ und „pervers“ diffamiert. Eine Kommentatorin forderte, dass sie sich doch „erschießen sollten“, wiederum eine andere schlug den Einsatz von „Napalm“ vor. Die Präsidentin des Vereins Arianna Miriam Fiumefreddo zeigt sich schockiert über derlei Nachrichten – und so unterstützt sie auch die Sensibilisierungskampagne.
Sind gerade auch queere Menschen verbalen Angriffen im Netz ausgesetzt?
Arianna Miriam Fiumefreddo: Neben sexualisierter Gewalt, die Frauen im Netz erfahren, machen vor allem queerfeindliche Kommentare einen großen Part des digitalen Hasses aus. Die Sprache gegenüber Menschen, die sich der LGBTQIA+-Community zugehörig fühlen, ist im Netz teils sehr rau und diese Verrohung der Sprache bleibt eben nicht nur im digitalen Raum, sondern schwappt über in die analoge Welt. Als uns das Landespresseamt darum gebeten hat, bei der Sensibilisierungskampagne mitzuwirken, haben wir nicht gezögert, denn leider ist das Thema gerade aktueller denn je.
[Angelika Aichner]