Das dritte Auge der Kunst
Zum kreativen Schaffen von Paolo Profaizer
Seit vielen Jahren befassen sich die Arbeiten von Paolo Profaizer mit dem Sehen. Dabei geht es ihm nicht um eine Abbildung der wahrnehmbaren Welt, sondern um das Erkennen derselben durch die intensive Betrachtung der Natur. Aktuell können seine Werke an zwei Orten bewundert werden: in Pfatten und Kardaun.
Campi Elisi – Verzauberte Malerei
„Für die antiken Griechen sind die elysischen Gefilde ein utopischer Ort, ein besonderes Jenseits für Auserwählte, während die gewöhnlichen Toten als Schatten im dunklen Totenreich umherirren“, so beschreibt der Künstler den Titel dieses siebenteiligen Werkzyklus‘, der bis 11. Dezember 2022 in der Gemeindegalerie von Pfatten zu sehen ist. Die elysischen Gefilde sind eine „Insel der Seligen“, auf der die Götter ihren liebsten Helden die Unsterblichkeit schenken: Rosengeschmückte Wiesen, ewiger Frühling, die Stimmung paradiesisch. Mit der Arbeit an den großformatigen Werken hat Paolo Profaizer 2020 begonnen, nach Ausbruch der Pandemie: „Es war eine unstete Zeit, das Gefühl der Gefahr war omnipräsent. Da habe ich mich unweigerlich mit dem Tod auseinandergesetzt. Die westliche Kultur denkt ungern darüber nach, weshalb der Tod hier kaum eine ästhetische Dimension gefunden hat. Campi Elisi beschreibt auch die Vitalität der Natur. Unser Leben ist zwar begrenzt, doch wir bestehen weiter, als Teil des natürlichen Kreislaufs“.
Die Sprache der Bäume
Neben diesem mystischen Ansatz liegt seinen Arbeiten auch ein naturkundliches Interesse zugrunde, das sich mit den Verbindungen und Verflechtungen beschäftigt, die das System Natur aufrechterhalten.
Ein weiterer Zyklus nennt sich „Phloem“, in Anlehnung an jene hauchdünne Schicht, die unter der Baumrinde lebensnotwendige Nährstoffe von den Wurzeln bis zu den Blättern weiterleitet. Obwohl es für das menschliche Auge unsichtbar ist, würde der Baum ohne Phloem an Hunger und Isolation sterben. „In meinen Gedanken übertragen sich die Funktionsweisen der Natur auf die zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie abhängig sind wir von unseren Mitmenschen? Wie gehen wir miteinander um? Und wie ist unsere Gesellschaft aufeinander eingestellt? Es ist niemals eine reine Naturerfahrung, ich gehe einen Schritt weiter“, so der Künstler.
Experimentierfreudig2
Doch Paolo Profaizer kann auch anders: nicht nur sinnliche Malerei, sondern auch kühne Interventionen im öffentlichen Raum. Anfang Oktober wurde im Amt für Geologie und Baustoffprüfung in Kardaun eine Installation eingeweiht, bestehend aus verschiedenen Materialien, die allesamt die Funktionen des Ortes widerspiegeln. Eisenprofile, Bohrkerne und Gesteinsproben gehören zur täglichen Arbeit des Amtes. Der Künstler hat dort zahlreiche Betonquader entdeckt, die zur Baustoffprüfung eingereicht wurden.
Aus genau diesen Kuben entstand ein Zauberwürfel, auch Rubik‘s Cube genannt, der von einem Steinschlagnetz aufgefangen wird. Die Arbeit spielt auf die Qualitätskontrolle und den hohen Sicherheitsanspruch jener Menschen an, die dort täglich ein und aus gehen.
[Adina Guarnieri]
Zur Person:
Paolo Profaizer (*1961, Bozen) hat in Bologna „Disciplina delle Arti, Musica e Spettacolo“ studiert und anschließend die „Scuola Internazionale di Grafica“ in Venedig besucht, wo er sich in Farbtheorie und Freskotechnik spezialisiert hat. Er lehrt Malerei und Zeichnung in Trient und Arco.