Die Frau mit den vielen Gesichtern
Zwischen Lippenstift, Lockenwicklern, Bebop und Rock’n’Roll: Gudrun Pichler
Gesichter sind sozusagen ihr Beruf, und auch privat hat sie viele Facetten: Die Rede ist von Gudrun Pichler aus Bozen. Seit 1998 ist Pichler in Südtirols Theaterszene als Maskenbildnerin tätig.
Eigentlich begann ihre berufliche Karriere in einer Anwaltskanzlei. Sehr bald jedoch merkte Gudrun Pichler, dass sie sich für den Job im Sekretariat nicht geeignet fühlte. Immer schon stand sie dem Theater nahe; die Theaterszene erlebte in den 1990-er Jahren in Südtirol einen regelrechten Aufschwung. Das Stück „Krach im Hause Gott“ unter der Regie von Rudi Ladurner, das in der Bozner Carambolage aufgeführt wurde, war wie eine Initialzündung für die damals 22-Jährige, wie sie heute sagt: „Da wusste ich, dort will ich hin.“
Frau Pichler, wie wird man Maskenbildnerin?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Ausbildung in Deutschland, aber auch in Italien. Ich habe das Beauty Center of Milan besucht, eine Schule für Maskenbildner/-innen und Kosmetiker/-innen. Entgegen eines gängigen Irrglaubens handelt es sich um zwei verschiedene Berufsbilder. Ich habe dort das Schminken und Frisieren für jeden Anlass, ob Hochzeiten, Fotoshootings, Film oder Theater gelernt. Dort lernt man, wie man Make-up und auch Haare oder Perücken gezielt einsetzt, um die Rollenfigur in einem Theaterstück so wirken zu lassen, wie der Regisseur es sich wünscht. Auch das Schminken von Spezialeffekten wie etwa Wunden wird einem beigebracht. Anschließend habe ich ein Jahr lang die Friseurakademie in Bozen besucht und eine Fortbildung für Spezialeffekte in Berlin absolviert.
Wie steht es um den Nachwuchs in der Theaterszene?
Was die heutige Jugend betrifft, so denke ich, dass sie sehr in der digitalen Welt verankert ist. Aber ich sehe auch, dass es beispielsweise im Theater in der Altstadt in Meran, wo ich tätig bin, immer wieder Praktikantinnen und Praktikanten gibt, die dem Theater dann beruflich erhalten bleiben. Ältere Kolleginnen gehen in Pension, aber da kommen schon junge nach.
Welche Eigenschaften sollte eine Maskenbildnerin haben?
Das Um und Auf, denke ich, ist ein gutes Vorstellungsvermögen. Beim Gespräch mit dem Regisseur sollte man schon eine gewisse Vorstellung und Ideen im Kopf haben, die sich dann bei den Proben verfestigen. Auch handwerkliche Fähigkeiten sollte man mitbringen und ein Gespür für Farben. Meine persönliche Erfahrung ist, dass es den Regisseuren wichtig ist, wenn die Maske sich gut ins Gesamtbild einfügt. Mit Kleinigkeiten halten sie sich nicht auf, daher ist die Zusammenarbeit mit den Kostümbildnern umso wichtiger. Ein Schauspieler kann leichter in seine Rolle schlüpfen, wenn auch die Maske die Figur respektiert, die er darstellen soll. Dazu trägt natürlich auch die richtige Frisur bei.
Haben Sie denn einen so großen Perückenfundus?
Ich kann auf eigene Perücken zurückgreifen. Aber hochwertige, natürliche Perücken für Theaterproduktionen muss ich mieten, da in Südtirol keines der Theater einen Fundus bzw. eine Werkstatt besitzt, in der Perücken hergestellt werden. Es gibt Verleihe beispielsweise in Rom oder in Turin.
Ist Ihnen schon mal etwas Verrücktes passiert?
Ich musste einmal eine historische Figur schminken, deren Darsteller volles, langes Haar hatte. Er sollte eine Glatze und einen Haarkranz erhalten. Das musste alles in Kleinarbeit von Hand aufgeklebt werden. Während der Vorstellung bemerkte ich, dass am Hinterkopf dunkle Schatten waren – die Glatze drohte aufzubrechen! Da habe ich schon geschwitzt. Hinterher kam heraus, dass die Firma bei der Herstellung des Hautklebers das Bindemittel vergessen hatte. Das wäre beinahe schiefgegangen.
Welchen privaten Interessen gehen Sie nach?
Oh, da gibt es einige. Ich habe einen großen Hang zu den 1940-er und 1950-er Jahren und kleide mich auch so. Die Kleider bekomme ich im Internet oder auf Vintage-Messen. Seit 15 Jahren fahre ich im Sommer nach Senigallia bei Ancona zu einem Festival der 1940-er und 1950-er. Da decke ich mich immer mit einschlägiger Musik ein (lacht). Ich schaue mir sehr gerne Filme aus dieser Zeit an, besonders amerikanische Musicals. Ich bin ein riesiger Elvis-Fan, höre seine Musik und schaue mir seine Filme an. Überhaupt spielt die Musik eine sehr wichtige Rolle in meinem Leben. Außerdem sammle, bastle und stricke ich gerne. Ach ja, und Stepptanz und Bauchreden habe ich auch gelernt. Eigentlich wollte ich vor Kurzem auch beruflich mal was anderes machen, aber der Lockdown war eine willkommene Auszeit für mich, in der ich aufatmen und mich erholen konnte. Jetzt macht mir mein Beruf wieder Freude.
[Sibylle Finatzer]
Gudrun Pichler, freiberufliche Maskenbildnerin
- Tätig seit 1998
- Maske für Theater, Film und Fernsehen
- Kontakt: 335 8114111,