„Ich versuche nur die Leitplanke zu sein“
Theaterpädagogik als Lebensschule, um sich gleichwertig zu erleben
Astrid Gärber „aus dem wildromantischen Eggental“, wie sie es selber formuliert, ist Theaterpädagogin, Regisseurin, Sexualpädagogin, Mama und vieles mehr. Ein Gespräch über Menschsein, Reife und Selbstverantwortung.
Als ihr im Alter von 19 Jahren von heute auf morgen die Spielleitung eines Laientheaters in Deutschnofen anvertraut wurde, musste Astrid Gärber ins sprichwörtliche kalte Wasser springen. Doch diese Erfahrung zeigte ihr ihren Lebensweg: Nach der Matura besuchte sie die Theaterschule in Bruneck. Nach mehreren Stationen als Teilzeit-Angestellte und verschiedener Ausbildungen machte sie sich 2015 als Theaterpädagogin im Kulturbereich selbständig.
Wie kann man sich die Arbeit von Theaterpädagogen vorstellen?
Astrid Gärber: Theaterpädagogen erarbeiten Theaterprojekte mit einzelnen Personen oder Gruppen. Wir kommen sozusagen durch die Hintertür, präsentieren kein fertiges Stück, sondern versuchen, Begabungen hervorzulocken, und begleiten die Menschen durch einen kreativen Prozess. Dabei geht es auch oft darum, eigene Grenzen zu überschreiten, zum Beispiel, sein Lampenfieber in den Griff zu bekommen. Und am Ende muss nicht immer eine Aufführung stehen. Erst im gruppendynamischen Prozess kann eine Geschichte entstehen. Ob sie zur Aufführung gelangt, entscheidet die Gruppe. Der Startpunkt ist der: Alles ist möglich, alles ist offen, alles ist gleichwertig. Das heißt, es ist völlig unerheblich, ob jemand eine Sprechrolle hat oder nicht, ob er viel oder wenig Text hat, ob er lieber auf oder hinter der Bühne steht oder welchen Part im Projekt er übernehmen will. Ich habe bei Schultheaterprojekten schon die wildesten Rabauken erlebt, die am Ende mit Hemd und Krawatte aufmarschiert und die Besucher als Platzanweiser galant, aber mit der größten Ernsthaftigkeit zu ihren Plätzen begleitet haben. Sie wussten: Meine Aufgabe ist wichtig.
Was ist der Unterschied bei der Arbeit mit Kindern oder Erwachsenen?
Grundsätzlich arbeiten Theaterpädagogen sowohl mit Kindern als auch mit Erwachsenen. Im pädagogischen Bereich werden wir oft von den Schulen – Grund-, Mittel- oder Oberschule, egal welcher Sprache – kontaktiert. Kinder gehen mit mehr Freude und Neugier an die Sache heran und haben keinen großen Erwartungsdruck. Erwachsene sind oft schon auf das Ergebnis fokussiert. Dabei ist das sozusagen Nebensache. Wichtig ist der Prozess, das Reifen, das Zusammenwachsen als Gruppe.
Inwiefern findest du Schultheaterprojekte wichtig?
Ich finde, Theaterprojekte sind Inseln der Freiheit abseits der pädagogischen Einrichtungen, auch wenn sie dort stattfinden. Zunächst einmal lote ich die Möglichkeiten und Wünsche der Gruppe aus. Jede/r darf dazu beitragen, was er oder sie möchte. Manchmal habe ich Stücke mit, die wir umarbeiten. Und manchmal entstehen ganz neue Stücke. Alles wird gemeinsam erarbeitet – ich sehe mich nur als „Leitplanke“, die das Ganze in einem Rahmen hält. Was darin passiert, ist völlig unvorhersehbar. Ich sorge nur dafür, dass die Fantasie und Gedanken jeder und jedes Einzelnen zusammengefügt werden. Die Gruppe soll am Ende sagen können: Das haben wir gemacht! Mir geht es dabei immer um das Menschsein, um die Liebe, aber auch um das Versagen. Kinder und Jugendliche müssen lernen, für sich selbst verantwortlich zu sein. Das gelingt, wenn man sie selbst entscheiden lässt. Auch Scheitern ist Lebensschule! Im schulischen Kontext mit seiner Leistungsbezogenheit ist das nicht immer möglich.
Wie sehen deine Projekte abseits deiner Tätigkeit in den Schulen aus?
Ich bewege mich zwischen den Tätigkeitsfeldern Kultur und Bildung, Theater und Theaterpädagogik, Sexualpädagogik, Kunst und Performance. Mit Laienbühnen arbeite ich immer wieder gern. Aber auch in Bibliotheken bin ich tätig, etwa bei szenischen Lesungen. Verschiedene Projekte habe ich mit Musikkapellen erarbeitet. Da habe ich einen besonderen Bezug dazu, da ich Saxophon spiele und auch als Chorleiterin tätig war. Ich moderiere auch bei verschiedenen Anlässen. Das alles macht einfach sehr viel Spaß.
[Sibylle Finatzer]
ZUR PERSON
Astrid Gärber
- Theaterpädagogin, Regisseurin, Sexualpädagogin, Moderatorin…
- aus Obereggen, wohnhaft in Welschnofen
- Matura FOS Meran, Theaterschule Bruneck
- Ausbildung zur Theaterpädagogin und zu interkultureller Sexualpädagogik und gendergerechter Erziehung
- Aus- und Weiterbildung zu Sprach- und Sprecherziehung – Stimmbildung, Gesang und Musik – Regie und Spielleitung – verbandliche und offene Kinder- und Jugendarbeit – Prävention – Erwachsenenbildung
- Mutter eines Sohnes (9) und einer Tochter (7)
Kontakt: 349 8734550,