Eine Oper und polnische Intellektuelle
Der März verspricht abwechslungsreiche Unterhaltung
Der Frühling bringt den Wandel. Doch da es am Abend oft und gerne noch etwas fröstelt, geht doch nichts über einen wohlig warmen Theatersaal, um langsam den Sommer herbeizuwünschen.
Packendes erwartet Sie bei den Vereinigten Bühnen Bozen, wo Toteis von Manuela Kerer und Martin Plattner uraufgeführt wird (16.-17.03.). Die Oper handelt von Viktoria Savs, die im Ersten Weltkrieg an der Front ihr Bein verloren hat. Für ihren Einsatz gelangte sie bei den Nazis zu fragwürdigem Ruhm. „Der Stoff ist problematisch, aber wir sind alle überzeugt davon, dass dieses Thema den Nerv der Zeit trifft“, so Kerer in einem Interview mit „Inside“ im März 2020. Nach „Toteis“ steht Anthropos, Tyrann (Ödipus) von Alexander Eisenach auf dem Spielplan (ab 26.03.). In Sophokles „Ödipus“ muss der König von Theben feststellen, dass gerade er den Zorn der Götter über seine Stadt gebracht hat. Ebenso wird uns heute bewusst, dass unser Verhalten unseren Lebensraum zerstört. Darstellerinnen und Wissenschaftler*innen verbinden die Erkenntnisse der Klimaforschung mit dem Mythos.
Die Historie mit Humor aufarbeiten, das tut das Südtiroler Kulturinstitut. Mein Kampf (16.-17.02., Waltherhaus Bozen) ist eine Komödie von George Tabori, die das humoristische Potential Hitlers nutzt: in einem Kaff geboren, reist er als junger Mann nach Wien, wo er sich in einem Männerheim mit zwei Juden ein Zimmer teilt. Ein ungewöhnlicher Blick auf ein tragisches Kapitel der Weltgeschichte. In den weiteren Spielstätten – Schlanders, Meran und Brixen – ist die Komödie Und wer nimmt den Hund? zu Gast (23.-25.03.). Doris und Georg: ein Vorzeigepaar.
Nach 20 Ehejahren sind die Kinder aus dem Haus und es winkt ein neuer Lebensabschnitt. Doch da betritt Laura ihr Leben, Georgs junge Doktorandin. Eine Therapie soll ein zivilisiertes Ende der Ehe ermöglichen, doch ist Vernunft wirklich der beste Weg?
Um zwei, die sich nicht kennen, geht es in Lost in Transit, das am 11. März im Stadttheater Bruneck Premiere feiert. Eine Frau und ein Mann befinden sich in der Transitzone eines Flughafens. Beide wollen in einem fremden Land ein neues Leben beginnen, doch vor der Abreise werden ihnen Smartphone und Pass gestohlen. Sie stecken fest und setzen sich gezwungenermaßen mit ihrem Vorhaben auseinander: Was haben sie für diese Reise aufgegeben und warum? Ein Findungsprozess, der vom inneren Monolog zum Dialog führt.
Kommunikationsprobleme bestimmen auch die Handlung von Emigranten (ab 6.03.). Das Theater an der Etsch in Neumarkt zeigt das Stück von Sławomir Mrożek über zwei polnische Einwanderer in einem fremden Land. Die eine hält sich für eine Intellektuelle, der andere verdingt sich als Gastarbeiter; das erzwungene Zusammenleben ist schwierig und die Nerven liegen blank. Der Eklat scheint unausweichlich, oder etwa nicht? Eine tragikomische Geschichte, über das Leben in der Grauzone der Mehrheitsgesellschaft.
Liebeslyrik, Schlampen und Sittenstrolche versprechen die Meraner Kabarett Tage (ab 11.03.). An sechs Abenden bieten internationale Gäste Unterhaltung auf hohem Niveau. Den Auftakt bildet Christoph Simon, Slam-Poet und Kabarettist aus Bern, der schon zahlreiche Preise eingeheimst hat. Sarah Bosetti sollte dem lokalen Publikum hinlänglich bekannt sein, ist sie doch mit ihrem bissigen Humor regelmäßig in Südtirol zu Gast. Einen hohen intellektuellen Anspruch an seine Satire hat Mathias Tretter, der den dritten Abend bespielt. „Gegen Wahn und Populismus, hilft nur ein guter Exorzismus“ – so das Leitmotiv von Andreas Rebers, der die Bühne zum Beben bringen will. Vorletzter Gast ist Severin Groebner, der in die Zukunft der Gesellschaft blickt (Spoiler: es schaut nicht gut aus), ehe Hannes Ringlstetter und Stephan Zinner mit ihrem Abschlusskonzert das Ende der Kabarett Tage einleiten. Lachen kann so schön sein!
Im Bozner Carambolage geht es lustig weiter: Anna Mateur & The Beuys sind mit „Kaoshüter“ zu Gast (04.-05.03.). Sie ist bewandert in Tanz und Gesang, und mit abgrundkomischem Witz geadelt. Sie enttarnt das Groteske der Normalität und stemmt sich gegen den Konformismus: Expect the unexpected, das ist Annamateur! Actionreich wird es auch mit ONKeL fISCH und „Wahrheit – die nackte und die ungeschminkte“ (11.-12.03.). Nichts ist in der Geschichte so umkämpft wie die Wahrheit. Und viele, die sie finden, wollen sie dann nicht wahrhaben. Doch Markus Riedinger und Adrian Engels schauen sogar hinter die Wahrheit: Subjektiv, objektiv und Dativ. Und am Ende des Monats bringt Lars Reichow mit „FREIHEIT“ nochmal Schwung auf die Bühne (25.-26.03.). Schon für Kundera war das Freisein eine Bürde, und das ist heute nicht anders als in der Tschechoslowakei des Kalten Krieges. Ein 50-jähriger Mann hat ein Problem: Frei sein schön und gut, aber wann stellt sich bitteschön das Gefühl der Freiheit ein?
Aktuell zum Thema Pandemie bringen Xaver Schumacher und Meera Theunert in der Dekadenz die Pinguine nach Ischgl (04.-05.03.). Ihr Kabarett ist eine Reise durch zwei Jahre Corona. Können die Alpen ohne Tourismus überleben oder macht ihnen nicht eher der Tourismus den Garaus? Die Pinguine wagen den Aufstand, jagen Hoteliers ins Kloster und läuten ein neues Zeitalter ein. Zweisprachig betreten im Anschluss Gianluca Iocolano & Friends die Bühne (11.03.). Ihr kennt die Speisepläne der Hollywood-Diven, aber bei unseren Südtiroler Stars tappt ihr im Dunkeln? Das kann man ändern: Gianluca Iocolano fühlt in bester Late Night-Manier dem lokalen Establishment auf den Zahn. Und sollten die Lachmuskeln noch eine kleine Strapaze vertragen, besucht Peter Spielbauer am 18. und 19. März den Brixner Kulturkeller. Dem selbsternannten Philosokomiker geht es darum, dass wir auf einer Kugel sitzen und durchs Weltall schwirren. Der Gipfel des Absurdismus, doch wie soll man sich dem stellen? Ein poetischer Welterklärungsversuch.
Einen ungeschönten Spiegel hält und das Theater in der Altstadt Meran vor: In Mehr ist nicht zu sagen (ab 15.03.) machen drei Künstlerinnen aus verschiedenen Kulturkreisen eine Bestandsaufnahme. Eine Trilogie, drei Geschichten über das Leben; schonungslos und unbeschreiblich, entfaltet sich hier ein Stück voll Poesie und politischer Brisanz: „Vieles ist ungeheuer. Aber nichts ist ungeheurer als der Mensch“ – das schrieb schon Sophokles.
[Adina Guarnieri]