Digitales Zukunftsszenario und Blasmusik
Besser könnte das Jahr für Theaterbegeisterte nicht beginnen
Wer nach den Feiertagen nur schwer wieder in Gang kommt, der kriegt beim ausufernden Angebot von Südtirols Bühnen sicherlich warme Füße. Drama, Comedy und ambitionierte Eigenproduktionen machen den Jahresbeginn zu einem Erlebnis, dem man sich nur schwer entziehen kann. Was alles ansteht, erfahren Sie in den folgenden Zeilen.
Beginnen wir im (fast) äußersten Osten des Landes, beim Stadttheater Bruneck. Zu Jahresbeginn ist hier die Mariner Bühne Bruneck zu Gast, und zwar mit der Komödie Wie man fällt, so liebt man, von Donald R. Wilde (ab 21.01., Regie: Sonia Ellemunt). Der rüstige Silvius lebt nach dem Tod seiner Frau allein und strotzt nur so vor Lebensfreude. Durch eine Kontaktanzeige lernt er Bella kennen, die sich als femme fatale entpuppt. Das Date ist katastrophal und endet für Silvius mit einem gebrochenen Bein. Die besorgte Familie engagiert daraufhin eine Haushälterin, worüber sich der Vater nicht unbedingt freut. Doch der Dickschädel Silvius wird bald eines Besseren belehrt…
Musikalisch wird es hingegen in Bozen, wo die Vereinigten Bühnen Bozen was ganz Besonderes in petto haben: Blasmusikpop (ab 01.01., Regie: Alexander Kratzer, Christian Mair). Das Stück ist ein Auftragswerk anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Bürgerkapelle Gries. Dabei herausgekommen ist eine etwas andere Oper, die mit Witz und Ironie die Geschichte dreier Generationen in einem abgeschiedenen Bergdorf erzählt. Der junge Johannes will nicht Fußball spielen, sondern die Welt entdecken. Wissensdurstig macht er sich daran, die Chronik seines Heimatdorfes zu verfassen, wobei er allerlei skurrile Entdeckungen macht und mächtig frischen Wind in das sonst so bescheidene Dorf bringt. Ein musikalisches Erlebnis, bei dem die Bürgerkapelle Gries bühnentechnisch natürlich nicht fehlen darf! Im Anschluss bespielt Lukas Lobis in Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran die Bühne des Stadttheaters (ab 21.01., Regie: Philipp Jescheck). Moses wächst allein bei seinem Vater auf, einem schweigsamen jüdischen Anwalt. Über seinen tristen Alltag könnte er verzweifeln, aber er sucht seinen Weg ins Glück. Mit Humor und Poesie erzählt Éric-Emmanuel Schmitt von Religion, Menschenliebe und einer ungewöhnlichen Freundschaft, die stärker ist als alle Vorurteile dieser Welt.
Mit einer Eigenproduktion startet die Dekadenz Brixen ins neue Jahr: Tom auf dem Lande (ab 16.01., Regie: Joachim Goller). Das Theaterstück von Michel Marc Bouchard erzählt die Geschichte von Tom, der aus der Großstadt zum Begräbnis seines Liebhabers in die Provinz fährt. Er gibt sich als Arbeitskollege aus, denn die Mutter des Verstorbenen weiß nichts von der Homosexualität ihres Sohnes. Der Rest der Familie tut alles, damit die Wahrheit nicht bekannt wird. Es entspinnt sich ein gewalttätiges Spiel, dem sich Tom auf fatale Weise fügt.
Dramatisch geht es auch beim Südtiroler Kulturinstitut zu, mit Die Wiedervereinigung der beiden Koreas von Joël Pommerat (18.01. Kulturhaus Schlanders, 19.01. Forum Brixen). Regisseur Jochen Schölch zeigt mit dem Metropoltheater München in zwanzig aufeinanderfolgenden Szenen den Kampf von 27 Frauen und 24 Männern um ihre Liebe. Hochzeiten geraten ins Wanken, Prostituierte werden enttäuscht, geschenkte Seelen zurückverlangt. Das Stück erforscht die unerklärliche Kraft der Liebe in all ihren Facetten. Im Bozner Waltherhaus ist hingegen das Deutsche Schauspielhaus Hamburg zu Gast, mit der aberwitzigen und zugleich aufrüttelnden Bühnenadaption von Trutz (12.-13.01., Regie: Dušan David Parízek). Glücklich ist, wer vergisst? Diese Frage stellt sich Maykl Trutz, denn er hat ein unglaubliches Gedächtnis, vor allem, wenn es um die schmerzhaftesten Erinnerungen geht. Da wären zum Beispiel seine Eltern, die vor den Nazis in die Sowjetunion geflohen sind, nur, um dort dem stalinistischen System zum Opfer zu fallen. Mit 18 Jahren kehrt Maykl nach Deutschland zurück, doch auch hier ist ihm sein Gedächtnis Fluch und Segen. „Trutz“ schwankt zwischen witzig und düster, abstrus und grausam: „Theater, wie es sein sollte!“, das meint die Zeitschrift Stern.
Richtig futuristisch geht es in der Carambolage Bozen zu. (R)Evolution - Eine Anleitung zum Überleben im 21. Jahrhundert spielt nämlich im Jahr 2040 (ab 13.01., Regie: Eva Kuen). Frei nach Yuval Noah Harari, handelt das Stück von Yael Ronen und Dimitrij Schaad von einem Leben inmitten von Maschinen und Algorithmen. Babys werden vor der Zeugung perfektioniert, elektrische Geräte kümmern sich selbst um ihre Reparatur und der Kühlschrank gibt Ernährungstipps. Und über allem waltet eine künstliche Intelligenz, die jeden und jede von uns bis ins Mark kennt. Mit schwarzem Humor und subtiler Lakonie wirft „(R)Evolution“ einen Blick auf die Herausforderungen des Homo Digitalis, dessen Zukunftsmusik aus nicht so fernen Sphären zu uns durchdringt.
Widmen wir uns zum Schluss den kleinen Theaterbegeisterten, denn im Theater im Hof in Bozen stehen gleich zwei Vorführungen an. Beginnen tut das Jahr mit Jeda der Schneemann von Eduardo Mulone (13.-15.01.). Schneemänner haben es nicht leicht, schließlich verbringen sie ihr ganzes Dasein in klirrender Kälte. Dabei möchte Jeda so gern den Sommer erleben. Er will nicht schmelzen und setzt alle Hebel in Bewegung, um möglichst intakt in die warme Jahreszeit zu kommen. Dazu behilft er sich mit einem Trick: Er trinkt Eistee. Aber was passiert, wenn die Flasche leer ist? Ganz andere Sorgen hat hingegen Der Froschkönig (27.-29.01.). Anne Klinge erzählt die Geschichte der wunderschönen Prinzessin, die zum Geburtstag eine goldene Kugel geschenkt bekommt. Doch weil sie nicht auf ihre Mutter hören will, rutscht ihr die Kugel in den Brunnen. Da eilt auch schon der kleine Froschkönig zur Hilfe und die Prinzessin versteht bald, warum es immer besser ist, die eigenen Versprechen nicht zu brechen...
[Adina Guarnieri]