„Für mich ist es eine Gedenkveranstaltung“
Interview über das Corona-Requiem
Richard J. Sigmund, künstlerischer Leiter des Kulturverein Amaté in Meran, komponierte nach persönlichen Schicksalsschlägen in der Karwoche 2020 das „Corona Requiem“.
Das Szenische Oratorium in 10 Szenen und 3 Teilen wird am 6. April 2022 zum ersten Mal im Haus Voitsberg in Vahrn aufgeführt. Der Musiker und Kulturmanager erzählt im Interview, was ihn dazu bewogen hat das Stück zu schreiben und welche Rolle die Kunst in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung spielt.
Sie haben Ihr Corona Requiem allen, während der Pandemie Verstorbenen und den Menschen, die in systemerhaltenden Berufen gearbeitet haben, gewidmet. Was hat Sie dazu bewogen?
Grundsätzlich ist es so, dass es für mich und für viele ein Anliegen ist, uns von den vielen Verstorbenen in der Zeit in Würde zu verabschieden. Mir persönlich ist es ein Anliegen, denn viele sind in völliger Einsamkeit und vergrämt gestorben. Ich habe es auch hautnah miterleben müssen. Und das ist ein Grund, warum ich es geschrieben habe. Und es ist auch ein Dankeschön und ein Chapeau an die, die während dieser Zeit an ihre Belastungsgrenzen und darüber hinaus gegangen sind, um alles weiterzubringen.
Wie viele Menschen sind an dem Corona-Requiem beteiligt?
Nicht so viele, wie ich mir erhofft habe. Weil die Chöre in Südtirol zusammenbrechen, das heißt, die Leute machen nicht mehr mit. Entweder, die Leute sind nicht geimpft und dürfen deshalb nicht mitmachen oder sie möchten nicht mehr. Manche haben gesagt, jetzt war zwei Jahre nichts, jetzt tu ich mir das nicht noch einmal an. So habe ich es zumindest erlebt. Also bei dem Projekt sind ungefähr um die 60 Personen beteiligt. Ungefähr 23 Mitwirkende sind im Orchester und 40 bis 50 Mitwirkende im Ensemble, also im Chor, als Solisten und als Sprecher. Wir mussten die Termine auch mehrmals verschieben, darin liegt auch die Problematik, weil manche nicht mehr konnten, aber wir haben gesagt, jetzt ziehen wir es durch. Also insgesamt ein kleines Ensemble, aber es reicht, um die Message rüberzubringen.
Sie haben gesagt, dass Sie dem Publikum mit dem Stück etwas geben möchten. Was möchten Sie denn geben?
Die Option des noch einmal Gedenkens und die Emotion, einen Punkt zu machen. Für mich ist es eine Gedenkveranstaltung. Vielleicht gelingt es mir, dem einen oder anderen damit zu sagen: In meinen Gedanken und meinem Erleben habe ich bei diesem Konzert noch einmal die Möglichkeit, an einen lieben Menschen denken zu können, der leider in dieser Zeit gehen musste.
Davon sind viele Menschen betroffen, warum gibt es also nur drei Termine?
Es ist ein riesiger organisatorischer Aufwand. Dadurch, dass ein großer Teil der Mitwirkenden Laien sind, ist es schwierig, das anders zu machen. Viele sind berufstätig und die Solisten sind teilweise aus Südtirol, teilweise von außerhalb. Wir können es uns nicht leisten, sie für mehrere Wochen hier zu behalten. Falls es gut ankommt, könnte ich mir aber auch vorstellen, es im Sommer unter freiem Himmel für mehr Menschen anzubieten. Aber es ist im Prinzip eine kleine Produktion.
Die Pandemie hat die Gesellschaft gespalten, können Kultur und Musik dazu beitragen, die Gesellschaft zu versöhnen? Und welche Rahmenbedingungen braucht es dafür?
Es ist ein Bruch durch die Gesellschaft gegangen. Ich glaube, dass dieser Bruch latent immer schon vorhanden war und die Pandemie hat eine emotionale Verhärtung hervorgerufen. Und da haben Kunst und Kreativität eine besondere Aufgabe. Kultur ist eine Plattform, auf der sich Menschen auf gleicher Augenhöhe treffen können und etwas gemeinsam erleben. Ich habe mich in der Zeit immer an die Erzählungen meines Vaters erinnert aus der Zeit der Option. Da sind auch Brüche durch die Familien durchgegangen. In meiner Jugend hieß es immer: Schau, der hat das schwarze, der hat das braune Hemd angehabt. Und es hat lange gedauert, bis diese Brüche geheilt sind. Kultur kann Gemeinschaft schaffen und darin liegt das Wesentliche des Menschseins. Deswegen ein klares Ja, Kultur kann dazu beitragen, die Gesellschaft zu versöhnen.
[Nadine Mittempergher]
AUFFÜHRUNGEN CORONA-REQUIEM
06.04.2022: Haus Voitsberg, Vahrn
07.04.2022: Thalguter Haus, Algund
08.04.2022: Kulturhaus Karl Schönherr, Schlanders
www.amatemerano.com