Hinter den Brettern, die die Welt bedeuten
Kostüme und mehr: Die Ausstattung macht ein Stück oder einen Film lebendig
Seit 1990 sind Sieglinde Michaeler und Walter Granuzzo aus Brixen als Kostümbildner in Südtirols Theaterwelt tätig. Sie betrachten ihre gemeinsame Leidenschaft als Geschenk. Ihr ganzes Leben dreht sich um Kostüme für Theater und Film.
Wo in Südtirol eine Expertise zu Kostümen bei Theater und Film gefragt ist, sind Sieglinde Michaeler und Walter Granuzzo nicht weit. Nach dem erfolgreichen Abschluss eines zweijährigen Modedesignstudiums in Mailand eröffnete Michaeler gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Damen- und Herrenschneiderei in Brixen, die sie nach 16 Jahren zugunsten der Kostümbildnerei aufgab. In über 30 Jahren Zusammenarbeit mit verschiedenen Theatergruppen und Filmschaffenden waren Michaeler und Granuzzo an über 200 Produktionen beteiligt: für die Vereinigten Bühnen Bozen, die Gruppe Dekadenz, das Eisacktaler Volkstheater, die Rittner Sommerspiele, die Pustertaler Theatergemeinschaft, die Wipptaler Theatergemeinschaft, die Komödie Brixen, die Südtiroler Operettenspiele und viele Amateurbühnen. Zusammen mit unterschiedlichen Regisseuren konnten Michaeler und Granuzzo die Kostümbilder für Werke von Tschechow, Pirandello, Shakespeare, Beckett, Goldoni, Nestroy, Wilde, Miller und viele andere erarbeiten und entwerfen.
Sieglinde, arbeitet ihr lieber für Theater oder Film?
Da kann ich mich nicht entscheiden. Beides hat seinen Reiz. Walter und mir geht es darum, uns immer wieder auf die Regisseure und ihre Wünsche und Vorstellungen einzulassen. Es ist jedes Mal eine große Herausforderung, egal ob Theater oder Film. Die Mischung macht’s, und wir möchten beides nicht missen. Als Paar arbeiten zu dürfen, empfinde ich als großes Geschenk. Walter und ich teilen die selbe Leidenschaft und tauschen uns ständig aus. Jeder von uns bringt seine Ideen ein.
Musstet ihr denn schon einmal Nein zu den Vorstellungen eines Regisseurs sagen?
Nicht direkt. Wir versuchen, den Leuten offen und freundlich zu begegnen, und haben damit immer gute Erfahrungen gemacht. Nur einmal gestaltete sich die Zusammenarbeit mit einem österreichischen Regisseur bei den VBB als schwierig. Er nahm erst unsere Figurinen ab, war also mit den Entwürfen einverstanden, und als alles schon fast fertig genäht war, kam er mit ganz neuen Vorstellungen, Farben und Stoffen daher und wollte alles geändert haben. Das habe ich als Schock und Respektlosigkeit empfunden.
War der Lockdown 2020 ein Stillstand oder brachte er neue Ideen?
Corona geht mir persönlich sehr nahe. Mir fehlen die sozialen Kontakte und der Austausch mit den Kulturschaffenden. Wenn man so viel unterwegs ist wie Walter und ich, dann ist das Untätig-Sein daheim schlimm. Zum Glück konnten wir im Lockdown für drei Wochen nach Riga zu einer Filmproduktion in Zusammenarbeit mit Albolina Film fliegen. Dort hatten wir erst nichts als ein paar Kleiderständer und haben Secondhand-Kleidung im Internet gekauft, die in Containern zum Abholen geliefert wurde. Alles ziemlich anders als bei uns, aber wir waren froh und dankbar, arbeiten zu dürfen!
Wo holt ihr euch denn die Inspirationen?
Walter und ich reisen sehr gern. Wir sind sehr kunstinteressiert und haben europaweit schon unzählige Ausstellungen besucht. Aber auch die Natur finde ich unheimlich inspirierend. Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, entdeckt man Vieles, das einem als Input dient: Farben, Formen, Pflanzen, Menschen. Ich habe kiloweise Bücher geschleppt und mir Informationen geholt, außerdem unzählige Events realisiert, durch die wir mittlerweile ein fundiertes Wissen über historische Kostüme haben.
Wenn du dich wie Dornröschen an einer Nadel stechen und in einen tiefen Schlaf fallen würdest, wie würde deine ideale Welt nach dem Erwachen aussehen?
Gute Frage. Ich bin grundsätzlich pessimistisch, was unsere Welt anbelangt, angesichts des Klimawandels und der schlimmen Folgen, die die nächsten Generationen zu tragen haben werden. Hier müssen Politik und Gesellschaft umdenken. Ich betrachte mich als sensiblen Menschen und habe auch mit dem zunehmend um sich greifenden Egoismus meine Probleme. Meine ideale Welt wäre ein Leben am Meer, und dass Menschen sich gegenseitig und die Natur respektieren!
[Sibylle Finatzer]
Sieglinde Michaeler und Walter Granuzzo
- 1988 bis 2004 Damen- und Herrenschneiderei in Brixen
- Seit 1990 Kostümbildner
- Kostüme für 260 Theaterproduktionen und für Filme
- Kostümberatung für Amateurbühnen, historische Umzüge und Events
- Kontakt: 338 1603605,