„Nackte Männer“ in Grödner Ausstellung
Valentine Kostner (Vijion Art Gallery) über das brüchige Männlichkeitsbild
In Zeiten wo der Männlichkeitsbegriff abwechselnd mit den Adjektiven fragil und toxisch begleitet wird, gerät die klassische Vorstellung von Männlichkeit zunehmend verloren.
Valentine Kostner (Mitgründerin der Vijion Art Gallery) erzählt im Interview wie sich der Männlichkeitsbegriff historisch gewandelt hat und warum wir kein einheitliches Bild für einen „Mann“ brauchen.
Was ist für Sie „männlich“?
Ich bin von der alten Generation, die in jungen Jahren noch für coole, starke Machos schwärmte. Inzwischen begrüße ich die authentischen Eigenschaften eines jeden Einzelnen und stehe für die Liberalität, diese auch ausleben zu dürfen. Kein Mann muss sich mehr in den Zwängen opfern, Stärke und Kraft zeigen zu müssen. Die Männlichkeit wird zunehmend zu einer unfixierten, performativen Identität, die von kulturellen und sozialen Verhältnissen geprägt ist. Meine heutige Sichtweise hat von den Wahrnehmungen der Künstler profitiert, denn Kunst ist Freiheit der Seele, Freiheit des Raumes und Freiheit des Geistes.
Wir verhält es sich mit dem Begriff Männlichkeit aus einer historischen Perspektive?
Von den primitiven Kulturen sind uns Männer mit akzentuierter, natürlicher Triebaftigkeit übertragen worden. Von der Darstellung des Mannes mit Sexualtrieb, hat sich das Bild in den klassischen Kulturen zum Mann als Bewunderungsobjekt und ideale Ästhetik entfaltet. Dieses Idealbild strahlt Kraft, Energie, Autonomie und die Einheit von körperlicher und geistiger Schönheit aus. Die Bewunderung der makellosen, männlichen Schönheit erreicht in der Renaissance ihren Höhepunkt. Mut und Stärke sind ausgesprochene Attribute, die die Männlichkeitskonstruktionen bis ins frühe 20. Jh. verkörpern. Mit dem Beginn der Moderne ist zunehmend die Selbstsuche in den Mittelpunkt gerückt; ein Neuanfang, in dem der Mensch mit all seinen Wahrnehmungen Geltung findet.
Warum ist es gut, dass sich dieses klassische Männlichkeitsbild langsam auflöst?
Es wäre wünschenswert, dass jeder seine Selbstwahrnehmungen leben könnte, fern von gesellschaftlichen Verpflichtungen. Wir sind in einem fortgeschrittenen Zeitalter, wo geschlechtliche Kategorisierungen ausgereift sein sollten. Die Einzigartigkeit eines jeden Menschen soll in den Vordergrund gestellt werden.
Wird zugleich mit dem Begriff der klassischen Männlichkeitsbild auch das Patriarchat abgeschwächt?
Die Gleichberechtigung hat längst das über Jahrhunderte stark verwurzelte Patriarchat abbröckeln lassen. Die junge Generation hat damit keine Probleme und erlebt dadurch die Beziehungen mit viel Dynamik. Dieses Bild wird sich in Zukunft als natürlich durchsetzen.
Spielen in diesem Wandel auch feministische Bewegungen eine Rolle?
Feministische Bewegungen und die Auseinandersetzungen mit Homosexualität und Gender haben zur folgerichtigen Solidarität, Respekt und gegenseitige Akzeptanz geführt, die verstärkt im Zeitgeist einfließt.
Sind die Ausstellungsstücke bei „Nackte Männer“ jugendfrei?
In dieser Ausstellung werden zeitgenössische Sichtweisen zur Männlichkeit ausgestellt, die die aktuelle Situation widerspiegeln. In diesem heutigen Zeitgeist steht nicht das Sexistische im Vordergrund, sondern die physische und psychische Verfassung des Mannsein. Es wird versucht die Zerbrechlichkeit, Emotion und das allgemeine Befinden des Mannes zu zeigen, um damit neue Wege des Denkens zu fördern und die gesellschaftlichen Strukturen aufzulösen. Das Enthüllen von Geschlechtsteilen stellt eine weitere Komponente des sich Einfühlens in ganzheitliche Körper dar und belastet diese demnach nicht mit Erotik.
Was raten Sie Männern, die sich unsicher in ihrer Rolle als Mann fühlen?
Der tendenziell steigenden Selbstsicherheit der Frau, tritt der Mann noch mit Unsicherheit entgegen. Von der dominanten Position der letzten Jahrhunderte muss der Mann nun eine neue Identität finden; dass dies eine Entwicklung braucht, ist verständlich. Sicherlich wäre dieser Schritt erstrebenswert, um eine allgemeine respektvolle Gerechtigkeit aller Menschen als natürliches Seinszustand feiern zu können.
[Dominik Pazeller]
AUSSTELLUNG „NACKTE MÄNNER“
Dauer: 18.02. – 19.03.2022
Künstler*innen: Lois Anvidalfarei, Thabata Arduini, Anton Christian, Aron Demetz, Gehard Demetz, Ottavia Demetz, Sophie Eymond, Johannes Herster, Josef Kostner, Stefan Perathoner, Harald Plattner, Karl Plattner, Julia Runggaldier, Klaus Rungger
Öffnungszeiten: Mo – Sa 16 – 19 Uhr
Adresse: Vijion Art Gallery - Pontives 26/I - St. Ulrich
Web: www.vijion.it