200 Jahre Bürgerkapelle Gries
Andreas Riegler über 200 Jahre BK Gries
Interview mit dem Kurator der Ausstellung Andreas Riegler über die Herausforderungen der letzten 200 Jahre und das aktuelle Programm zwischen Ausstellung, Konzerten und Blasmusikoper.
Die Bürgerkapelle Gries gehört zu den traditionsreichsten und ältesten Musikkapellen des Landes Südtirol. Warum Gries?
Ich denke, dass die damaligen Rahmenbedingungen für die Gründung einer Musikkapelle in Gries günstig waren. Da das Chorherrenstift in Gries aufgelöst war, fehlten die Augustiner Chorherren, welche bis dato die Kirchenmusik selbst gestalteten. Der Begründer der Grieser Musikgesellschaft (GMG), so der damalige Name der Bürgerkapelle Gries, hieß Ignaz Dietrich. Er war Lehrer und Organist und brachte seinen Freunden und Bekannten sakrale Musik bei. Bereits im Gründungsjahr 1821 umrahmte die GMG den Weihnachtsgottesdienst.
Wie kann man sich diese erste Bürgerkapelle vorstellen?
Am Beginn konnten die 15-20 Musikanten, die der Lehrer Ignaz Dietrich um sich versammelt hatte, weder Noten lesen noch Instrumente spielen.
Die Instrumente wurden von verschiedenen Gönnern der GMG zur Verfügung gestellt. Es gibt eine Liste aus dem Jahre 1861, aus welcher hervorgeht, wer das Instrument spendierte. Meistens waren es Geschenke von Privaten, aber auch die Gemeinde und der Herr Pfarrer Felix Neupaur, versorgten die neue Kapelle mit musikalischen Instrumenten.
Was sind die größten Veränderungen der letzten 200 Jahre im Vergleich zu heute?
Große, vor allem politische Veränderungen brachte der erste Weltkrieg und seine Folgen mit sich. Nicht nur, dass die Bürgerkapelle sieben Gefallene zu beklagen hatte, auch die Zeit unter dem Faschismus und Nationalsozialismus setzten dem Verein arg zu. Als 1925 Gries nach Bozen eingemeindet wurde, steht in einer Randnotiz vermerkt, dass ab jetzt keine Beiträge von Seiten der Gemeinde zu erwarten sind und sich die BKG nach anderen Einnahmequellen umschauen muss.
Eine große Veränderung erfuhr in den letzten drei Dekaden die gespielten Musikstücke. Wurden früher hauptsächlich Märsche und transkribierte Ouvertüren gespielt, werden heute vor allem Orginale, nur für Blasmusik komponierte Stücke aufgeführt. Zur größten und weitreichendsten Veränderung der letzten und auch künftigen 200 Jahre ist sicher ein Beschluss, der von der Generalversammlung nach langer Diskussion im März 1993 gefasst und genehmigt wurde: Ab diesem Datum nämlich wurden auch Frauen in die Bürgerkapelle aufgenommen. Und heute wäre eine Bürgerkapelle Gries ohne Frauen gar nicht mehr vorstellbar, mittlerweile beträgt der Anteil weiblicher Mitglieder über 40 Prozent.
Wie sieht der Blick in die nahe Zukunft aus? Welche Ziele gibt es?
In naher Zukunft haben wir vor allem ein Ziel: endlich die Premiere unserer seit vielen Jahren geplanten Blasmusikoper „Blasmusikpop“ in Kooperation mit den Vereinigten Bühnen Bozen feiern zu können. Diese Oper wurde extra für unser Jubiläum komponiert (Musik: Thomas Doss) und geschrieben (Libretto: Silke Dörner) nach dem Roman von Vea Kaiser. Die Uraufführung dieses einzigartigen Projektes war für 1.1.2021 geplant gewesen (also zum Auftakt des Jubiläumsjahres 1821-2021) und musste aufgrund der Pandemie bereits zweimal verschoben werden. Neuer Termin ist jetzt der 3. September 2022 und wenn der Spruch „Aller guten Dinge sind 3“ stimmt dann sollte es jetzt endlich so weit sein.
Weitere Aufführungen im Stadttheater Bozen/Großes Haus am 4., 6. und 7. September (www.theater-bozen.it/de/premieren/pro/view/blasmusikpop-5.html)
Und in 200 Jahren?
Wünschen wir uns einfach nur, dass die Bürgerkapelle Gries weiterhin Bestand hat und ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens in Bozen/Gries bleibt. Und, dass weiterhin viele Jugendliche den Mehrwert einer Musikkapelle erkennen, wo es neben den musikalischen Fähigkeiten und dem gemeinsamen Musizieren immer auch um eine große Gemeinschaft und Freundschaft und Respekt gegenüber dem Nächsten geht. Und, dass der ursprüngliche Auftrag/Motto der Bürgerkapelle Gries, so wie ihn die Gründerväter definiert hatten, noch immer Bestand hat:
1) Gott ehren
2) Die Mitmenschen musikalisch erfreuen
3) Disziplin und reine Freude zur Musik
[Dominik Pazeller]