Dienstmädel in „Bella Italia“
Wie Südtiroler Mädchen ihren Dienst in italienischen Haushalten antraten
Interview mit Sabine Peer über ihr neustes Werk und persönliche Parallelen.
Warum sind die Südtiroler Mädchen früher nach Italien, um in fremden Haushalten zu arbeiten?
Um Italienisch zu lernen, um etwas von der Welt zu sehen, aber hauptsächlich, weil sie zu Hause keine Perspektive hatten. Südtirol war in den 50er- und 60er-Jahren ein sehr armes Land. Arbeit gab es genug, aber bezahlt ist sie nicht geworden. Dass hier der wirtschaftliche Aufschwung weit später einsetzte als im restlichen Italien und in vielen Teilen Europas, war unserer politischen Situation geschuldet.
Wie hat es sich angefühlt als Dienstmädel in dieser Zeit zu arbeiten?
Besser in den italienischen Metropolen als zu Hause, würde ich sagen. In Südtirol musste Tag und Nacht für Kost und Logis hart gearbeitet werden. Bei den italienischen Dienstherren gab es meist geregelte Arbeitszeiten und guten Lohn.
Welche Erfahrungen haben die Dienstmädel in diesem Alter gemacht?
Die Erfahrungen der Dienstmädel waren vielfältig. Die meisten sprachen nur über Positives, beispielsweise dass sie eigene Zimmer mit eigenen Bädern hatten, denn zu Hause gab es ja nur ein Plumpsklo und ein Waschwandel. Die meisten berichteten, wie viel sie sehen und erleben durften, es muss also vor allem eine schöne Zeit gewesen sein. Wenn sie schlechte Erfahrungen gemacht haben, dann eher in die Richtung, dass die Hausherrinnen sehr kompliziert waren oder die Kinder verzogen.
Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?
Initialzündung war mir meine Mutter. Diese war selbst als Dienstmädel in jungen Jahren in einem italienischen Haushalt beschäftigt. Und ich wusste, dass sie nur eine von vielen war und dass die Tradition der Südtirolerinnen als Dienstmädel in Italien bis in die 20er-Jahre zurückreicht. Die Geschichte meiner Mutter habe ich aber nicht ins Buch aufgenommen.
Was ist das Besondere an diesen Geschichten?
Das Besondere an meinen Geschichten ist, dass sie alle real gelebt und erlebt worden sind. Ich habe mich der Methode „Oral History“ bedient, also „mündlich weitergegebene Alltagsgeschichte“. Die Schicksalsgenossinnen, die ich gesucht habe, haben mir ihre Lebenserinnerungen erzählt, die ich im Buch zu lebendigen Lesestücken verfasst habe.
Gibt es Parallelen zu Ihnen selbst?
Nein. Ich war nie ein Dienstmädel. Ich hatte das Glück, in eine andere Zeit hineingeboren zu werden. Als ich im entsprechenden Alter war, war längst das zweite Autonomiestatut in Kraft getreten, und dieses gab den Ausschlag für den wirtschaftlichen Aufschwung auch in unserem Land.
Welche Projekte haben Sie für die Zukunft geplant?
Nun, da stehen einige an. Mit meiner Firma „Textstudio Pe.eR“ bin ich als Texterin, Lektorin und Projektmanagerin im Textbereich bei diversen Projekten eingespannt. Ein Münchner Theaterverlag ist daran interessiert, mein Theaterstück „Grauen und Hoffnung. Kriegsgefangenschaft in Russland 1941-1956“ herauszubringen. Ich bin an den Oberschulen gebucht für Vorträge und zur Lehrerfortbildung zu meiner Dokumentation „Südtiroler hinter Stalins Stacheldraht. Kriegsgefangenschaft in Russland“. Und ich bin fleißig am Schreiben des Folgebandes zu „Dienstmädel in Bella Italia“. Dieses Buch ist so erfolgreich, dass wir, der Athesia-Tappeiner-Verlag und ich, den vielen Leserwünschen nach noch mehr wahren Geschichten über die Schicksale junger Südtiroler Frauen in den italienischen Metropolen gerne nachkommen. Im Frühjahr soll „Dienstmädel in Bella Italia. Von den Bergdörfern in die Palazzi“ erscheinen.
[Dominik Pazeller]
NÄCHSTE AUTORENLESUNG
3. November, 19:00 Uhr in der Gärtnerei Schullian, Bozen, in Zusammenarbeit mit der Bibliothek Gries.