Die fünfte Jahreszeit
Ein Gespräch über närrische Bräuche
Um den Winter samt seinen bösen Geistern davonzujagen, finden traditionellerweise im ganzen Land Faschingsumzüge statt.
Es wird geschrien, geschellt, geklappert – doch woher rührt eigentlich die Lust am Verkleiden und welches Brauchtum verbirgt sich dahinter? Der Kulturvermittler Christoph Gufler gibt Antworten.
Woher kommt der Begriff „Fasching“?
Das Wort „Fastnacht“ ist seit etwa 1200 belegt und bedeutet so viel wie „Wachstum“ und „Frucht“. Erst in der neueren Zeit hat sich der Begriff „Fasching“ in Tirol eingebürgert. Der Unsinnige Donnerstag und Faschingsdienstag markieren den Höhepunkt der närrischen Zeit. Vermutlich noch in die vorgeschichtliche Zeit zurückreichende Traditionen werden dabei zelebriert. Ausgelassenes Treiben und Lärm sollen den Winter verscheuchen, die schlafende Natur erwecken und die Dämonen austreiben.
In jedem Jahr findet am Unsinnigen Donnerstag in Prad am Stilfserjoch traditionell das Zusslrennen statt – worauf lässt sich dieser Brauch geschichtlich zurückführen?
Die Hauptfiguren sind die sogenannten Zusseln – in weiß gekleidete Gestalten mit umgeschnallten Kuhschellen, die einen Höllenlärm veranstalten. Je mehr Zusseln daran teilnehmen, desto fruchtbarer soll das Jahr werden. Mitgezogen wird ein Pflug, der symbolisch den Acker furcht, sodass der Samen in fruchtbaren Boden gesetzt werden kann. Es handelt sich also um ein Fruchtbarkeitsritual.
Die älteste Beschreibung des Egetmann-Umzugs in Tramin geht auf das Jahr 1876 zurück – somit gilt dieser als einer der ältesten Fastnachtsbräuche des Alpenraums. Wie ist dieser entstanden?
Der Egetmann-Umzug in Tramin ist zwar erst seit den 1880er-Jahren belegt, er dürfte aber weit älter sein. Im Verfachbuch des Gerichtes Kaltern ist schon für das Jahr 1591 vom Brauch des Pflugziehens in der Fastnacht die Rede. In anderen Gemeinden im südlichen Etschtal lassen sich Egetmann-Umzüge bis ins 18. oder 19. Jahrhundert zurückverfolgen, so in Altrei, Neumarkt, Kurtinig, Salurn und Nals. Beim Egetmann wird eine Hochzeit dargestellt. Es geht also auch bei diesem Fastnachtsbrauch um Fruchtbarkeit. Im südlichen Tirol war es früher üblich in der Fastnachtszeit zu heiraten. Noch in den 1960er-Jahren wurde in manchen Ortschaften Südtirols nur während des Faschings der Bund der Ehe eingegangen.
Weshalb ist die Lust am Verkleiden auch heute noch ungebrochen?
Das Verkleiden ermöglicht es den Menschen, sich außerhalb der Norm zu bewegen, sich anders zu geben als im Alltag. Außerdem bot es seit jeher schon die Möglichkeit, kritisch zu sein und Missstände aufzuzeigen. Die Erwähnung des Pflugziehens in Kaltern im Jahre 1591 erfolgte auch in diesem Zusammenhang. Dabei wurde nämlich der „Sindicus“ von Kaltern beim „Herumfahren mit dem Pflueg“ von einem Mitbürger „mit ungebührlichen Worten“ bedacht, wie Roland Zwerger im Buch „Tramin in Vergangenheit und Gegenwart“ vermerkt.
„Die närrische Zeit: Faschingsbräuche in Südtirol“
Publizist und Kulturvermittler Christoph Gufler wird am Freitag, den 25. Februar an der Urania Meran einen Vortrag über die närrischen Bräuche in Südtirol halten und unter anderem vom Zusslrennen in Prad am Stilfserjoch und dem Egetmann-Umzug in Tramin erzählen und mit zahlreichen Bildern veranschaulichen.
Faschingsumzüge 2022
Unter Einhaltung der Corona-Auflagen finden auch heuer wieder einige karnevaleske Umzüge statt. Am Unsinnigen Donnerstag, den 24. Februar wird ab 14 Uhr in Prad am Stilfserjoch das Zusslrennen abgehalten. Am Sonntag, 6. März, wird in Mals schließlich das traditionelle Scheibenschlagen zelebriert, um den Winter mit Feuer auszutreiben. Nach Einbruch der Dämmerung halten die Malser Scheibenschläger ihre Holzscheiben ins Feuer und schleudern diese dann weit in den Winterhimmel hinaus, währenddessen überlieferte Reime rezitierend wie beispielsweise: „Kas in der Tasch, Wein in der Flasch, Korn in der Wann, Schmalz in der Pfann, Pflueg in der Erd, schaugts wia mei Scheibele ausigeat!“
Pandemiebedingt mussten aber manche Faschingsumzüge bereits abgesagt werden; so entfallen etwa der weitum bekannte Umzug entlang der Kennedystraße in Leifers und der Schuffener Faschingsumzug in Welschnofen. Auch der traditionelle Egetmann-Umzug in Tramin wird am Faschingsdienstag nicht stattfinden können.
[Angelika Aichner]