Liebe, Love, Amore und der Tod
Das deutsche Theater blüht im Wonnemonat auf
Die Maiglöckchen sprießen und die Bienen summen. Der Mai bringt viele aufregende Neuigkeiten auf Südtirols Bühnen und hat so manche Überraschung in petto, die das treue Theaterpublikum nicht verpassen sollte.
Das Südtiroler Kulturinstitut reist nach New York. Hier spielt Vögel von Wajdi Mouawad (4.-5.05., Regie: Alize Zandwijk). Wahida, eine amerikanische Muslimin, und Eitan, ein deutscher Jude, begegnen sich in einer Bibliothek: es ist Liebe auf den ersten Blick. Doch Eitans Familie lehnt die Beziehung ab. Auf der Suche nach einer plausiblen Erklärung reist das Paar nach Israel, wo es ein gutgehütetes Geheimnis entdeckt und sich mit der Frage nach der eigenen Identität und Herkunft befasst. „Vögel“ feiert in Deutschland große Erfolge, derzeit wird es an 20 Bühnen gespielt. Beste Voraussetzungen für die Vorstellungen im Bozner Waltherhaus.
Versteckte Wahrheiten bestimmen auch das Programm des Stadttheaters Bruneck, wo Das perfekte Geheimnis zu sehen ist (ab 6.05.). Nach dem Bestseller von Paolo Genovese, erzählt Regisseur Alexander Kratzer eine Geschichte von Schein und Intrigen. Drei Frauen und vier Männer diskutieren bei einem Abendessen über die Bedeutung von Ehrlichkeit und wagen ein folgenschweres Spiel: Sie legen ihre Smartphones auf den Tisch und nehmen sich vor, alle reinkommenden Nachrichten und Telefonate zu teilen. Doch der Zeitvertreib artet aus – der Spaß führt zu drastischen Offenbarungen. Wie gut kennen wir unsere Mitmenschen eigentlich?
Schmetterlingsgefühle bei den Vereinigten Bühnen Bozen: Mit Wege(n) der Liebe – Love in Südtirol reist Regisseur Christian Mair ab 27. Mai durch die Gasthäuser des Landes und befasst sich mit dem schönsten Thema der Welt: LOVE. Dafür haben die VBB nach aufregenden, lustigen und berührenden Geschichten rund ums Thema Liebe und Heiraten gesucht: Bräuche und Rituale, Pleiten, Pannen und romantische Gefühle komponieren einen ungewöhnlichen Theaterabend, musikalisch umrahmt von Greta Marcolongo und Roberto Tubaro. Was macht die Liebe, wenn sie mehrere Sprachen spricht und genau dort hinfällt, wo man am wenigsten damit rechnet?
Liebe steht auch im Carambolage auf dem Programm, nur kommt hier das Sterben hinzu: Das eine und das andere von Heinrich Schwazer hat im Vorjahr den Autorenwettbewerb der Südtiroler Theaterzeitung gewonnen und wir nun uraufgeführt (ab 6.05., Regie: Torsten Schilling). Das Stück reagiert auf die verhärteten Grundsatzdebatten unserer Zeit. Eine scheinbar willkürlich zusammengestellte Sammlung von Episoden lenkt den Blick auf verschiedene Momente des mittleren Lebensalters. Es sind vielseitige Kurzgeschichten, mal berührend, mal komisch, die durch schräge Wendungen verblüffen. Die Figuren entspringen dem Wahnsinn des Lebens: Eine Rentnerin verliert ihren Hund, Eltern sorgen sich um ein krankes Kind, eine Frau kämpft mit Liebeskummer. Reale Situationen, erzählt aus ungewöhnlichen Blickwinkeln, stellen alles auf den Kopf und lassen nur eine Gewissheit übrig: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Brisant wird’s in der Dekadenz Brixen, die mit Die Kinder von Lucy Kirkwood einen britischen Öko-Thriller präsentiert (ab 7.05., Regie: Fabian Kametz). Ein Atomkraftwerk steht nach einer Flutwelle auf der Kippe. Ein altes Ehepaar, Hazel und Robin, waren am Bau des Reaktors beteiligt und leben nach der Katastrophe in der Nähe der Sperrzone. Dort erhalten sie unerwarteten Besuch aus Amerika: Rose, eine alte Freundin und Kollegin – und ehemalige Geliebte von Robin. Sie ist Atomwissenschaftlerin und hat einen Plan erdacht, um das Problem mit dem Kraftwerk zu lösen. Doch das Paar ist nicht wirklich überzeugt… Die Tageszeitung The Guardian schreibt: „Ein zutiefst beunruhigendes Stück, in dem es nicht bloß um Kernenergie geht, sondern ganz grundsätzlich um den hohen Preis, den wir in der Zukunft für unseren gegenwärtigen Wohlstand zahlen“.
Weiter geht’s mit dem Naturmuseum Bozen, wo Christoph Buchfink am 8. Mai das Stück Die Blattwinzlinge aufführt (ab 5 J.). Im Frühjahr kommen sie aus dem Blätterdickicht: Waldpüffchen und Laubhüpfer. Für die meisten Menschen unsichtbar, führen sie ein unbeschwertes Leben. Sie genießen die frühlingshafte Brise, baden im Sommerregen und freuen sich riesig auf ihr großes Abenteuer: Im Herbst fliegen sie mit den stürmischen Winden durch die Luft und fallen anschließend auf den Boden zurück, wo sie zu lebensbringender Erde werden. Doch ein Blattwinzling hat den Flug verpasst und begibt sich auf Reisen. Dabei erlebt er Einzigartiges: den Winter und den Schnee, und so manch andere Wunder.
Eine Geiselfarce mit der Regie von Dietmar Gamper erwartet das Publikum im Theater in der Altstadt Meran (ab 10.05.). Meier Müller Schulz oder Nie wieder einsam widmet sich einem sozialen Massenphänomen: der Einsamkeit. Frau Meier ist Single und lebt in der Großstadt. Um der Tristesse zu entkommen und stets Gesellschaft zu haben, nimmt sie sich kurzerhand Herrn Schulz als Geisel. Als jedoch die Nachbarin Frau Müller plötzlich wissen will, was es mit dem fremden Besuch auf sich hat, gerät Frau Meier in Erklärungsnot…
Im Kapuzinergarten von Lana geht die Volksbühne Lana an den Start, und zwar mit Die Geister von Braunsberg (ab 20.05.). Der Sage nach zog im Mittelalter ein Ritter von Braunsberg in den Krieg und ließ die schöne Jutta unter dem Schutze des Burgvogtes zurück. Dieser erkannte seine Chance, doch die junge Frau wies ihn zurück. Der gekränkte Vogt klagte Jutta dennoch der Untreue an, sie wurde in den Kerker gesteckt und stürzte sich aus dem Verließ in die Falschauer hinab. Doch unversehrt stieg sie daraus empor, weshalb sich der Vogt selbst in den Fluss warf und starb. Obmann Walter Tribus und Regisseurin Gabriela Renner übernehmen die Grundstruktur der Sage und ergänzen sie um neue Elemente. Umrahmt mit der Musik von Simon Gamper, kommen aktuelle Themen zum Tragen wie, z.B., die Begierde, Vertrauen, Eigennutz und Mehrdeutigkeit. Wer verfolgt hier welche Absichten und ist jeder der, der er vorgibt zu sein? Und was, wenn es auf diese Fragen womöglich keine Antworten gibt?
[Adina Guarnieri]