Discofieber im Bienenstock
Das deutsche Theater im April hat‘s hinter den Ohren
Der Osterhase bringt nicht nur bunte Eier, sondern auch mächtig Schwung in Südtirols Theatersäle. Zwischen Musical und Comedy, ist sicherlich für alle was im Nest.
Rhythmisch begehen die Vereinigten Bühnen Bozen den April. Mit I feel love kommt ein Stück Musikgeschichte auf die Bühne (ab 23.04). Autor Stefan Vögel und Regisseur Andreas Gergen verwandeln die Hits von Giorgio Moroder in ein mitreißendes Spektakel, bei dem niemand ruhig sitzen bleibt. Erzählt wird die Geschichte von Giulio, dem Besitzer des letzten Discotempels der Mittelmeerküste. Einst schwitzten hier die Massen, doch nun bleiben die Gäste aus. Aber er will seinen Traum nicht aufgeben und schmiedet einen Plan: er lädt unbekannte Talente zu einem Casting für eine neue Disco-Band ein. Es erscheinen zehn Gestalten, eine schräger als die andere. Doch wird das ausreichen, um der Discomusik ein Comeback zu bescheren?
Das Südtiroler Kulturinstitut beherbergt Die Wahrheiten von Lutz Hübner und Sarah Nemitz (6.04. Waltherhaus Bozen, 7.04. Stadttheater Meran, Regie: Sophia Bodamer). Das Gastspiel des Staatstheaters Stuttgart handelt von Machtstrukturen zwischen den Geschlechtern, und zwar dort, wo sie am häufigsten auftreten: in Beziehungen. Veranschaulicht wird das anhand von Bruno und Sonja sowie Erik und Jana. Die Paare sind seit 17 Jahren befreundet, doch aus heiterem Himmel unterbrechen Erik und Jana den Kontakt. Um die Entscheidung zu verstehen, gehen Bruno und Sonja zahlreiche Szenarien durch, doch keines scheint plausibel. Dabei liegt die Wahrheit so nah, nur erkennen will sie niemand. Im Kulturhaus Schlanders steht im Anschluss Romy Schneider – Zwei Gesichter einer Frau auf dem Spielplan (20.04). „Ich kann nichts im Leben, aber alles auf der Leinwand“, das sagte Romy Schneider einst über sich selbst. Chris Pichler gestaltet ein Stück über die Schauspielerin, deren Rolle als Sissi Segen und Fluch zugleich war. Er folgt ihrer Biografie und gestaltet das Bild einer Frau, einer Mutter und Ikone, die verletzlich und aufbegehrend, fremdbestimmt und selbstbewusst ihr Leben bestritten hat.
Im Stadttheater Bruneck steppt zwar nicht der Bär, aber ein Abend mit Markus Linder ist mindestens genauso gut (20.04). Sein „O solo mio“ ist ein schonungslos satirisches Resümee seines künstlerischen Seins: Was wurde erreicht, was muss noch warten, und was wird sich nie ausgehen? Vom Siegeszug des Riebl-Songs bis zur Philosophie im deutschen Schlager. Linder erzählt von Michael Jackson, seinem Therapeuten und vom Durchdrehen im Show-Business. Für die ganz kleinen Theaterbegeisterten ist das Stück Muthase von Barbara Wackerle und Eva Palvölgyi (21.-22.04). Wer kennt das nicht? Nur einmal kurz zögern und schon ist man ein „Angsthase“. Aber was tun, wenn man weiche Knie bekommt? Lilo und Ru wollen ihren Mut beweisen und alleine woanders übernachten. Doch der Plan hat seine Tücken. Das Lichtausschalten ist gar nicht so einfach, und vielleicht hält sich ja etwas unter dem Bett versteckt? Und was sind diese Schatten an der Wand? Sie necken sich, bis sie schließlich zugeben müssen, dass sie beide verängstigt sind. Aber vielleicht muss man sogar Angst haben, um mutig zu sein?
So ganz dicht ist er nicht: Kay Ray. Im Carambolage Bozen präsentiert er am 7. und 8. April eine Show zwischen Provokation und Poesie, Trash und Tabula rasa, Experiment und Ekstase. Für einen gelungenen Witz würde er seine Oma verkaufen, doch so richtig übel kann man ihm das nicht nehmen. Denn er ist ein Provokateur ohne Furcht und Tadel, dem man alles nachsieht, sofern man nur dabei zuschauen darf. Auf den Gaukler folgt der Krankenpfleger: Der aus Hall stammende Thomas Posch widmet sich in seinem “Radio Koralm” der psychischen Prophylaxe (11.04.). Frei nach dem Motto „Was lange gärt, wird endlich Mut”, landen bei ihm alle weltoffenen Gemüter auf der Psychocouch, denn warum sollte jemand über den Weidezaun hinausblicken? Das Gute liegt doch so nah, direkt auf der Alm nebenan. Als „neuen Stern am Tiroler Kabaretthimmel“ bezeichnete ihn die Tiroler Tageszeitung, und auch der Südtiroler Theaterverband war dieser Meinung, schließlich hat er den Kabarettwettbewerb „frisch&fröhlich“ gewonnen. Alte Hasen sind hingegen die Jungs und Mädels vom Improtheater (12.04.). Bei ihnen wird das Unerwartete zum Highlight. Diesmal stürzen sich skurrile Figuren in die beliebtesten Formate und attackieren jegliches Frühlingsgefühl mit knallechten Lachsalven. Hohe Lyrik, wilde Pferde und Achterbahnen – da bleibt garantiert kein Auge trocken. Lustig, aber auch informativ wird es am 14. April mit dem Meraner Schauspieler und ehemaligen Landessprecher der Grünen Franco Bernard und seinem „Alles über Bienen“. Nach 20 Jahren Praxis und gefühlten 20.000 Stichen lüftet er den Schleier und bringt Licht ins Dunkel des Bienenstocks. Pu der Bär und das Insektensterben, Fake News zum Thema Bienen und Blümchensex werden hier auf humoristische Weise erörtert, mit spannenden Einblicken über den Wabenrand.
Die Dekadenz Brixen meldet ihren Status. Wie, Sie verstehen nur Bahnhof? Dann sollten Sie den Abend mit Statusmeldungen nicht verpassen (01.-02.04., Regie: Susanne Schmelcher). Dahinter verbirgt sich das Buch von Stefanie Sargnagel, die als „wichtigste österreichische Autorin des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet wurde. Lakonisch, satirisch, feministisch: Sie sprengt alle Grenzen und ist zum Brüllen komisch, manchmal banal, hin und wieder tragisch. „Statusmeldungen“ sind Facebook-Einträge, die sie während ihrer Zeit im Callcenter und an der Kunstuni verfasst hat. Radikal rechnet sie mit allem ab, was ihr unter die Tasten kommt. Auf die Bühne gebracht wird das Ganze vom Innsbrucker theater praesent, mit Elke Hartmann, Florian Mania und Michaela Senn.
Im Theater in der Altstadt Meran steht eine besondere Lesung an: Das Hohelied Salomos oder Die Liebe ist eine Himmelsmacht (ab 12.04.). Es lesen Magdalena Schwellensattl und Hans Kieseier, musikalisch umrahmt von Helga Plankensteiner und Michael Lösch. Das „Hohelieds Salomos“ aus dem Alten Testament preist auf überraschend sinnliche und offene Art und Weise die Liebe zwischen Mann und Frau. Sie schmachten, sehnen, begehren, hoffen, leiden: Ein Feuerwerk der Sinnlichkeit.
[Adina Guarnieri]