Die Physiker reisen nach Afrika
Kurzer Monat – lange Theaterabende: im Februar geht es hoch her
Zeitgenössische Perlen und Klassiker des 20. Jahrhunderts, gepaart mit einer gehörigen Portion Kabarett: was will man mehr? Der Februar glänzt mit einem vielversprechenden Programm.
Mächtig ins Zeug legt sich die Dekadenz Brixen, die im hauseigenen Kulturkeller allerhand auf die Bühne bringt. Gleich zu Beginn, am 4. Februar, stehen die Schweizer von InterroBang (i.B. oben) mit Im Garten Reden an, wobei der Titel maßlos untertreibt, schließlich parlieren Manuel Diener und Valerio Moser nicht nur vor sich hin: mit Gesang, Tanz, Rap und viel Körpereinsatz führen sie uns durch die Menschheitsgeschichte, den kleinen Alltag und ihre eigenen Leidensepisoden. Und das Publikum soll ihnen bei der Suche nach göttlicher Inspiration helfen. Aber falsch machen kann man dabei eh nichts, denn die Erkenntnis lautet: Scheitern ist geil.
Weiter geht’s mit Roland Düringer und Africa Twinis (20.02.). Um die Handlung zu begreifen, müssen wir zurückreisen in das Jahr 1986, als zwei Freunde beschlossen, mit ihren Motocross-Rädern vom Hornewald aus nach Afrika zu reisen. Doch technische Probleme machten dem Unterfangen den Garaus und es folgte die Einsicht: „Dakar is ned ums Eck.“ Gut 30 Jahre später wollen es die inzwischen gestandenen Männer nochmal versuchen. Wird es ihnen diesmal gelingen? PS: Sollten Sie Roland Düringer in der Dekadenz verpassen, ist das nur halb so schlimm, denn am 18. und 19. Februar ist er im Carambolage zu Gast.
Den Abschluss des Brixner Reigens bildet das surreale Zirkustheater Genesis (23., 25., 26.02., Regie: Matteo Spiazzi). Mit diesem Stück bringen Dada Zirkus ihre eigene Version der Schöpfungsgeschichte auf die Bühne. Livemusik, Akrobatik, Puppenspiel und Jonglage präsentieren ein Gesamtkunstwerk zwischen Humor und Poesie, bizarr und clownesk, bei dem die drei männlichen Protagonisten nach zahlreichen Misserfolgen ihren ureigenen Machtdrang in Frage stellen.
Mit sich selbst hadert auch Nicolas, der in Florian Zellers Der Sohn mehr schlecht als recht mit dem Erwachsenwerden zurechtkommt. Das Südtiroler Kulturinstitut bringt das Stück des französischen Erfolgsautors nach Südtirol, als Gastspiel des St. Pauli Theaters Hamburg (9.02. Forum Brixen, 10.02. Stadttheater Meran). Auf Nicolas war immer Verlass, doch nun schwänzt er die Schule und findet sich unmöglich mit der Trennung der Eltern ab. Sein Vater, der gerade eine neue Familie gegründet hat, will sich seiner annehmen, doch das macht es nicht einfacher – ganz im Gegenteil. Berührend und zugleich komisch widmet sich Regisseur Ulrich Waller dem Erzählstoff und behandelt dabei fundamentale Themen wie Depression und Selbstmord.
Im Bozner Waltherhaus steht ein moderner Klassiker auf dem Programm: Friedrich Dürrenmatts Die Physiker (16.-17.02., Regie: Abdullah Kenan Karaca). Das Stück spielt in einem Schweizer Sanatorium. Hier versteckt sich der geniale Physiker Möbius vor der Welt, gemeinsam mit zwei weiteren Mitpatienten, die sich als Newton und Einstein ausgeben. Doch dann werden plötzlich die Krankenschwestern der drei „Physiker“ ermordet. Obwohl die Täter von vornherein feststehen, beißt sich Kommissar Voß am Wahnsinn der Verdächtigen die Zähne aus. In Dürrenmatts 1962 uraufgeführten Komödie ist nichts wie es scheint, aber eines ist gewiss: Die Spezies Mensch manövriert sich mit ihrer Unzurechnungsfähigkeit in die Selbstausrottung.
Mit den Tiefen und Hoffnungsschimmern der Geschichte befassen sich die Vereinigten Bühnen Bozen. Die Weiße Rose ist eine Produktion des VBB-Jugendtheaterclubs, gemeinsam mit Autorin Jutta Schubert und Regisseur Philipp Jescheck (ab 12.02.). München 1942: einige Studierende formieren eine Widerstandsgruppe, um sich aktiv gegen das menschenverachtende Vorgehen des Nationalsozialismus einzusetzen. Als Sophie und ihr Bruder Hans Scholl in der Uni Flugblätter auslegen, werden sie entdeckt und verhaftet. In den Verhören nehmen sie die ganze Verantwortung auf sich, um so den Rest der Gruppe zu schützen – mit tragischen Folgen. Gemeinsam mit Südtiroler Jugendlichen widmet sich der Regisseur der Aufarbeitung dieses Stoffs. Woher nahmen die Mitglieder der Weißen Rose den Mut, um sich dem System zu stellen? Und was bedeuten Worte wie Widerstand und Protest heute, 100 Jahre nach Sophie Scholls Geburtsjahr?
Das Carambolage Bozen steht im Februar ganz im Zeichen des Kabaretts. Den Auftakt bildet Stefan Waghubinger mit Ich sag’s jetzt nur zu Ihnen… (9.-10.02.). In seinem Soloprogramm läuft er gegen Türen, begegnet Plüschelefanten, antiken Göttern und sich selbst beim Monopoly. Dabei geht es um die wirklich wichtigen Dinge im Leben und darum, warum es so viel davon gibt und wir stets so wenig davon haben. Manchmal böse, aber immer irrsinnig komisch, zynisch und zugleich warmherzig: Das sind Attribute, die man mit dem österreichischen Kabarettisten verbindet.
Weiter geht es mit Alfred Dorfer, ebenfalls aus Österreich, dessen Programm den vielsagenden Titel und… trägt (24.-25.02.). Ein Umzug hat das Leben von Dorfers Bühnenfigur durcheinandergebracht. Wie soll es weitergehen? Beim Aufräumen kommt er auf unerwartete Gedanken, stellt fundamentale Fragen und schüttelt dabei stets neue Pointen aus dem Ärmel. Das Soloprogramm zeigt Momentaufnahmen des Aufbrechens und Ankommens, und präsentiert ungewöhnliche Zusammenhänge zwischen realen und erdachten Alltagsphänomenen. Bei aller Leichtigkeit verliert Dorfer nie den Blick für die Wirklichkeit: eine temporeiche und inhaltlich sehr komplexe One-Man-Show.
Frei nach dem Erfolgsroman von Daniel Glattauer, zeigt das Theater in der Altstadt Meran ab 4. Februar Gut gegen Nordwind (Regie: Alexander Varesco). Emmi will ein Zeitschriftenabonnement kündigen, doch ihr Schreiben landet fälschlicherweise bei Leo: ein spontaner Briefwechsel beginnt. Von Neugier getrieben erschaffen sich die beiden ihre eigene Welt, in der eine humorvolle Freundschaft ebenso Platz findet wie lustvolles Verlangen. Jede Zeile verstärkt die Sehnsucht nach einem Treffen, aber ist die Anonymität nicht das Salz in ihrem aufregenden Liebesdialog? Eine zarte Geschichte über eine unstillbare Sehnsucht.
[Adina Guarnieri]