Von Bergen, Menschen und Irrtümern
Der Künstler Egon Rusina und sein Werk „Secëda“ in der Brixner Hofburg
Das mehrteilige Werk „Secëda“ von Egon Rusina wird in der Brixner Hofburg gezeigt. Die vier Bilder des Grödner Künstlers sind 1991 entstanden und zeigen den Berg Secëda in den vier verschiedenen Jahreszeiten.
In den Arkaden der Brixner Hofburg sind die ungefähr 1,5 mal 1,2 Meter großen Bilder zu sehen, eine Leihgabe von Klaus Dander an das Diözesanmuseum. Der 73-jährige Künstler Egon Moroder Rusina aus St. Ulrich ist für seine Karikaturen und für seine gesellschaftskritische Haltung bekannt. In jungen Jahren hat er an Protestaktionen und an politisch-kritischen Performances auf der Straße teilgenommen – „als noch niemand wusste, was eine Performance überhaupt ist. Heute ist das ja schon fast Mode“, sagt er. Genauso kritisch steht er dem Bergsteigen gegenüber. „Das Wort ,Eroberungʻ stört mich ganz gewaltig“, erzürnt er sich. „Was soll das heißen, einen Berg erobern? Das ist ein ganz großer Irrtum. Einen Berg kann man nicht erobern, man muss ihn respektieren. Man kann ihn ganz intensiv anschauen, bis man ihn fast durchschaut. Ein Berg lehrt Demut und Ehrfurcht.“
Herr Moroder oder Herr Rusina, wie darf man Sie nennen?
(lacht) Das ist eine interessante Frage. Ich werde schon seit Jahren von den meisten Leuten Rusina genannt. Mein eigentlicher Nachname ist Moroder, das wissen wenige, die jüngeren schon gar nicht. Meine Großeltern hatten ein Haus in St. Ulrich gebaut, das sie „Villa Rosenheim“ genannt hatten. Im Zuge des Faschismus musste der deutsche Name weichen. Meine Großmutter hat dann einfach den Vornamen „Rusina“ ihrer Mutter, also meiner Urgroßmutter, für das Haus benutzt. Es heißt heute noch so. Der Name ist schlussendlich auf die Familie übergegangen. Heute firmiere ich selber unter E. Rusina.
Warum haben Sie gerade die Secëda gemalt?
Bis vor einem Jahr habe ich seit Jahrzehnten jeden Sommer für drei, vier Monate in einem wilden, unzugänglichen Tal unterhalb der Secëda gelebt. Ich hatte ein Zelt und ein paar Hühner und Ziegen. Die Ziegen sind faszinierende Tiere. Sie können stundenlang unergründlich und stoisch vor sich hinschauen, fast wie meditieren. Ich habe es wie sie gemacht und die Secëda angeschaut. Der Berg ist dann fast schon wie ein Altar. Es wird auch überhaupt nicht langweilig, denn der Berg ist immer wieder anders: bei Sonnenaufgang oder -untergang, wenn es schneit, wenn es hagelt. Das Urige und Archaische der Natur hat unzählige Aspekte, das habe ich in den Bildern darzustellen versucht.
Sie empfinden tiefe Ehrfurcht vor der Natur. Sind Sie religiös?
Ich glaube sehr an Jesus und an seine Werte. Ich bin aber kein katholischer Mensch. Der Katholizismus, so wie viele andere Religionen, ist für mich nur ein System, um die Menschen zu kontrollieren. Momentan beschäftige ich mich mit dem chinesischen Daoismus, und besonders fasziniert mich der heilige Franziskus. Ich spreche mit den Steinen, mit den Tieren, mit dem Bach, mit dem Berg. Ich spreche auch mit dem Herrgott, wenn ich an einem Wegkreuz vorbeikomme. Ich versuche, meine Seele zu erforschen und mich in mein eigenes Wesen zu vertiefen. Wenn der Mensch tief in sich hineinhorcht, erkennt er, dass er per se gar nicht böse sein kann. Ich liebe und verehre die Natur. In diesem Sinne bin ich sicher religiös. Die Menschen unserer heutigen Gesellschaft haben aber leider keine Zeit, sich mit ihrer Seele zu beschäftigen. Dabei wäre genau das Nichtstun auch so wichtig. Das habe ich in all den Jahren von den Ziegen und der Secëda gelernt.
[Sibylle Finatzer]
Egon Rusina
Maler und Karikaturist, 1949 in St. Ulrich in Gröden geboren und dort wohnhaft. Karikaturen, Zeichnungen, sozialkritische Performances, Gemälde, Berg-Bilder. Lässt sich von der Natur inspirieren.
Ausstellung des Werkes „Secëda“
- Ort: Brixen, Hofburg
- Öffnungszeiten: bis 6. November, dann Museumsschließung, und wieder ab 26. November, täglich von 10 bis 17 Uhr. Am 24. und 25. Dezember geschlossen.